Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.Sie erinnerte sich aus ihrer Jugend, daß, wenn sie Es ist unausstehlich! rief sie endlich und wandte Der Mediziner lachte. Er fand es von dem Bur¬ 2
Sie erinnerte ſich aus ihrer Jugend, daß, wenn ſie Es iſt unausſtehlich! rief ſie endlich und wandte Der Mediziner lachte. Er fand es von dem Bur¬ 2
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0023" n="17"/> Sie erinnerte ſich aus ihrer Jugend, daß, wenn ſie<lb/> mit Greten in ſeine Tiſchlerwerkſtatt kam, um Spiel¬<lb/> ſachen zurecht zu leimen, er immer die ihrigen zuerſt<lb/> gemacht hatte und Grete oft darüber böſe geweſen<lb/> war. Alſo: damals hatte er ſie bevorzugt, heute war<lb/> er erſtaunt über ihre Schönheit, — ſo kalkulirte ſie,<lb/> — und war ihr hierher gefolgt. Obgleich ihre Eitel¬<lb/> keit nicht ganz ungerührt von dieſem Gedankengange<lb/> blieb, ſo war ihr diesmal die Eroberung doch unan¬<lb/> genehm. Erſtens war er nicht der Aufmerkſamkeit<lb/> werth, und ihr Herz würde ſich nie zu einem ſo ge¬<lb/> wöhnlichen Menſchen herablaſſen; und dann fürchtete<lb/> ſie, wenn er einmal ihren Schritten folgte, er möchte<lb/> den Spion ſpielen und die Tante Rieke davon benach¬<lb/> richtigen. Sie hatte ſich ſo viel als möglich ſo ge¬<lb/> ſetzt, daß er ihr nicht in das Geſicht ſehen konnte:<lb/> aber wenn ſie unwillkürlich hinſah, begegnete ſie jedes¬<lb/> mal demſelben bekümmerten und theilnehmenden Blicke,<lb/> der ihr wie ein Stich durch das Herz ging.</p><lb/> <p>Es iſt unausſtehlich! rief ſie endlich und wandte<lb/> ſich heftig nach der anderen Seite. Der Student und<lb/> die Freundinnen ſahen ſie verwundert an, und ſie er¬<lb/> klärte die Urſache ihres Aergers.</p><lb/> <p>Der Mediziner lachte. Er fand es von dem Bur¬<lb/> ſchen ganz natürlich, einem hübſchen Mädchen in das<lb/> Geſicht ſehen zu wollen, pflanzte aber darauf ſeine<lb/> breite Geſtalt ſo dazwiſchen, daß Klärchen vor den<lb/> läſtigen Blicken ſicher war; und kurze Zeit darauf be¬<lb/> merke Auguſte, daß Fritz fortgegangen war. Jetzt<lb/> fühlte ſich Klärchen freier, und das Vergnügen ward<lb/> immer lebhafter. Die Tanzmuſik lockte, Alle gingen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [17/0023]
Sie erinnerte ſich aus ihrer Jugend, daß, wenn ſie
mit Greten in ſeine Tiſchlerwerkſtatt kam, um Spiel¬
ſachen zurecht zu leimen, er immer die ihrigen zuerſt
gemacht hatte und Grete oft darüber böſe geweſen
war. Alſo: damals hatte er ſie bevorzugt, heute war
er erſtaunt über ihre Schönheit, — ſo kalkulirte ſie,
— und war ihr hierher gefolgt. Obgleich ihre Eitel¬
keit nicht ganz ungerührt von dieſem Gedankengange
blieb, ſo war ihr diesmal die Eroberung doch unan¬
genehm. Erſtens war er nicht der Aufmerkſamkeit
werth, und ihr Herz würde ſich nie zu einem ſo ge¬
wöhnlichen Menſchen herablaſſen; und dann fürchtete
ſie, wenn er einmal ihren Schritten folgte, er möchte
den Spion ſpielen und die Tante Rieke davon benach¬
richtigen. Sie hatte ſich ſo viel als möglich ſo ge¬
ſetzt, daß er ihr nicht in das Geſicht ſehen konnte:
aber wenn ſie unwillkürlich hinſah, begegnete ſie jedes¬
mal demſelben bekümmerten und theilnehmenden Blicke,
der ihr wie ein Stich durch das Herz ging.
Es iſt unausſtehlich! rief ſie endlich und wandte
ſich heftig nach der anderen Seite. Der Student und
die Freundinnen ſahen ſie verwundert an, und ſie er¬
klärte die Urſache ihres Aergers.
Der Mediziner lachte. Er fand es von dem Bur¬
ſchen ganz natürlich, einem hübſchen Mädchen in das
Geſicht ſehen zu wollen, pflanzte aber darauf ſeine
breite Geſtalt ſo dazwiſchen, daß Klärchen vor den
läſtigen Blicken ſicher war; und kurze Zeit darauf be¬
merke Auguſte, daß Fritz fortgegangen war. Jetzt
fühlte ſich Klärchen freier, und das Vergnügen ward
immer lebhafter. Die Tanzmuſik lockte, Alle gingen
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