Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.Zweispänner. Er war Senior seiner Verbindung und Zweiſpänner. Er war Senior ſeiner Verbindung und <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0022" n="16"/> Zweiſpänner. Er war Senior ſeiner Verbindung und<lb/> überall zu finden, wo es luſtig herging, oder wo Spek¬<lb/> takel war. Seine Geſtalt war groß und klobig, ſein<lb/> gelbes Haar hing ſchlicht an dem rothen Geſicht her¬<lb/> unter, das breit und platt einen gewaltig rohen Aus¬<lb/> druck hatte. So wie ſeine Geſtalt war auch ſein<lb/> Weſen und waren ſeine Reden. Er ſaß jetzt den<lb/> Mädchen gegenüber; beide Ellenbogen auf den Tiſch<lb/> geſtützt, die blauen Dampfwolken aus ſeiner Cigarre<lb/> blaſend, machte er höchſt unmanierliche Späße. Klär¬<lb/> chen fand das nicht roh, nein, weil er reich und aus<lb/> angeſehener Familie war (ſein Vater war Präſident),<lb/> fand ſie es nur pikant, und hielt ſich nicht für zu gut,<lb/> ihn zu amüſiren. Sie ward immer lebendiger und<lb/> liebenswürdiger, und es war unverkennbar, daß ihre<lb/> Schönheit auf ihn Eindruck machte, und ſie in ſeinen<lb/> Augen höher ſtieg, denn er nahm die Ellenbogen von<lb/> dem Tiſch und nahm ſich in Wort und Weſen mehr<lb/> zuſammen. Für Klärchen war das ein neuer Triumph<lb/> und die beiden Freundinnen bemerkten es mit Ver¬<lb/> wunderung. Die Putzmacherin kannte den Studenten<lb/> längſt, ſie ging bei der Generalin aus und ein, und<lb/> das war Gelegenheit genug, um eine Studenten-Be¬<lb/> kanntſchaft zu machen. Sie hätte ihm ihr leichtſinni¬<lb/> ges Herz gern ſelbſt zu Füßen gelegt und beneidete<lb/> jetzt die Gefährtin um dieſe bedeutende Eroberung,<lb/> und Klärchen ward immer ſtolzer und glücklicher. Nur<lb/> eines ſtörte ſie. Ihr gerade gegenüber in einer einſa¬<lb/> men Laube ſaß Fritz Buchſtein. Ja, unbegreiflicher<lb/> Weiſe war er auch umgekehrt und ihnen in den Kaffee¬<lb/> garten gefolgt. Ob das wohl um ihretwillen war?<lb/></p> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Zweiſpänner. Er war Senior ſeiner Verbindung und
überall zu finden, wo es luſtig herging, oder wo Spek¬
takel war. Seine Geſtalt war groß und klobig, ſein
gelbes Haar hing ſchlicht an dem rothen Geſicht her¬
unter, das breit und platt einen gewaltig rohen Aus¬
druck hatte. So wie ſeine Geſtalt war auch ſein
Weſen und waren ſeine Reden. Er ſaß jetzt den
Mädchen gegenüber; beide Ellenbogen auf den Tiſch
geſtützt, die blauen Dampfwolken aus ſeiner Cigarre
blaſend, machte er höchſt unmanierliche Späße. Klär¬
chen fand das nicht roh, nein, weil er reich und aus
angeſehener Familie war (ſein Vater war Präſident),
fand ſie es nur pikant, und hielt ſich nicht für zu gut,
ihn zu amüſiren. Sie ward immer lebendiger und
liebenswürdiger, und es war unverkennbar, daß ihre
Schönheit auf ihn Eindruck machte, und ſie in ſeinen
Augen höher ſtieg, denn er nahm die Ellenbogen von
dem Tiſch und nahm ſich in Wort und Weſen mehr
zuſammen. Für Klärchen war das ein neuer Triumph
und die beiden Freundinnen bemerkten es mit Ver¬
wunderung. Die Putzmacherin kannte den Studenten
längſt, ſie ging bei der Generalin aus und ein, und
das war Gelegenheit genug, um eine Studenten-Be¬
kanntſchaft zu machen. Sie hätte ihm ihr leichtſinni¬
ges Herz gern ſelbſt zu Füßen gelegt und beneidete
jetzt die Gefährtin um dieſe bedeutende Eroberung,
und Klärchen ward immer ſtolzer und glücklicher. Nur
eines ſtörte ſie. Ihr gerade gegenüber in einer einſa¬
men Laube ſaß Fritz Buchſtein. Ja, unbegreiflicher
Weiſe war er auch umgekehrt und ihnen in den Kaffee¬
garten gefolgt. Ob das wohl um ihretwillen war?
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