Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.selbst. Nur zuweilen kam es wie Furcht über sie. Vor Als sie heut das Stübchen ihrer Mutter verlassen, ſelbſt. Nur zuweilen kam es wie Furcht über ſie. Vor Als ſie heut das Stübchen ihrer Mutter verlaſſen, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0018" n="12"/> ſelbſt. Nur zuweilen kam es wie Furcht über ſie. Vor<lb/> nicht langer Zeit waren die ſchwarzen Pocken in ihrer<lb/> Straße, ein großer Schreck fuhr in ihre Glieder, ſie<lb/> ließ ſich aber ſchnell impfen und meinte nun wieder<lb/> ruhig ſein zu können. Als bald darauf die Cholera<lb/> kam und in ihrer Nähe Jung und Alt dahinraffte,<lb/> da ging das Bangen wieder an. So gut wie die<lb/> ſterben, kannſt Du auch ſterben, — das ſah ſie ein,<lb/> und ſterben war ein ſchrecklicher Gedanke. Was wird<lb/> dann aus ihr? ja was? Tante Rieke unterließ es<lb/> nicht, in der Zeit vom Sterben zu reden und von der<lb/> Strafe und vom ewigen Verderben. Klärchen hörte<lb/> ſolche Worte nicht gern, ſie ward bänger und bänger,<lb/> und war doch wieder wie gebannt zu lauſchen. Sie<lb/> konnt' es nicht faſſen, daß die Tante und Gretchen<lb/> ſo ruhig waren und vom Tode redeten als von gar<lb/> nichts Fürchterlichem; denn wenn ſie des Nachts auf¬<lb/> wachte und ſo allein mit ihren Gedanken war, da<lb/> befiel ſie oft eine Angſt, daß ihre Glieder bebten. Ob<lb/> du wohl ſterben mußt? dachte ſie. Und was dann?<lb/> Aber Gott ſei Dank, die Zeit war vorüber, das Leben<lb/> wieder roſenroth, Klärchen dachte nicht mehr an Tod<lb/> und Gericht, und wenn die Tante jetzt von ſolchen<lb/> Dingen redete, da hörte ſie mit offenen Ohren nicht,<lb/> ſie ſenkte den Kopf auf die Arbeit, und ihre Gedanken<lb/> gingen mit ihren tollſten Fantaſien durch.</p><lb/> <p>Als ſie heut das Stübchen ihrer Mutter verlaſſen,<lb/> ging ſie einige Häuſer weiter um eine Freundin abzuholen.<lb/> Sie klopfte an ein niedriges Fenſter parterre. Der Brief¬<lb/> träger Vogler trank eben Kaffee und las die Zeitung da¬<lb/> zu. Als er Klärchen ſah, machte er das Fenſter auf.<lb/></p> </body> </text> </TEI> [12/0018]
ſelbſt. Nur zuweilen kam es wie Furcht über ſie. Vor
nicht langer Zeit waren die ſchwarzen Pocken in ihrer
Straße, ein großer Schreck fuhr in ihre Glieder, ſie
ließ ſich aber ſchnell impfen und meinte nun wieder
ruhig ſein zu können. Als bald darauf die Cholera
kam und in ihrer Nähe Jung und Alt dahinraffte,
da ging das Bangen wieder an. So gut wie die
ſterben, kannſt Du auch ſterben, — das ſah ſie ein,
und ſterben war ein ſchrecklicher Gedanke. Was wird
dann aus ihr? ja was? Tante Rieke unterließ es
nicht, in der Zeit vom Sterben zu reden und von der
Strafe und vom ewigen Verderben. Klärchen hörte
ſolche Worte nicht gern, ſie ward bänger und bänger,
und war doch wieder wie gebannt zu lauſchen. Sie
konnt' es nicht faſſen, daß die Tante und Gretchen
ſo ruhig waren und vom Tode redeten als von gar
nichts Fürchterlichem; denn wenn ſie des Nachts auf¬
wachte und ſo allein mit ihren Gedanken war, da
befiel ſie oft eine Angſt, daß ihre Glieder bebten. Ob
du wohl ſterben mußt? dachte ſie. Und was dann?
Aber Gott ſei Dank, die Zeit war vorüber, das Leben
wieder roſenroth, Klärchen dachte nicht mehr an Tod
und Gericht, und wenn die Tante jetzt von ſolchen
Dingen redete, da hörte ſie mit offenen Ohren nicht,
ſie ſenkte den Kopf auf die Arbeit, und ihre Gedanken
gingen mit ihren tollſten Fantaſien durch.
Als ſie heut das Stübchen ihrer Mutter verlaſſen,
ging ſie einige Häuſer weiter um eine Freundin abzuholen.
Sie klopfte an ein niedriges Fenſter parterre. Der Brief¬
träger Vogler trank eben Kaffee und las die Zeitung da¬
zu. Als er Klärchen ſah, machte er das Fenſter auf.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |