Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.empfand große Qualen; je mehr sie das Kind hegte Eben stirbt mein Kind! rief Klärchen verzweif¬ Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genom¬ Nein, nein, rief Klärchen und küßte den letzten Ja, ja, sagte die Tante. Klärchen, laß uns empfand große Qualen; je mehr ſie das Kind hegte Eben ſtirbt mein Kind! rief Klärchen verzweif¬ Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genom¬ Nein, nein, rief Klärchen und küßte den letzten Ja, ja, ſagte die Tante. Klärchen, laß uns <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0145" n="139"/> empfand große Qualen; je mehr ſie das Kind hegte<lb/> und pflegte, je furchtbarer ward ihr der Gedanke ſei¬<lb/> nes Todes. Eines Abends wollte es die Bruſt nicht<lb/> mehr nehmen und hing matt das Köpfchen; wie ein<lb/> Schwert fuhr der Schmerz durch Klärchens Bruſt. Sie<lb/> wußte in der Angſt nicht was beginnen; der liebe<lb/> Gott will nicht helfen, vielleicht können es Menſchen.<lb/> Sie ſtürzte zur Tante, aber bei Buchſteins war Angſt<lb/> und Verwirrung, der alte Benjamin ſtand mit gefal¬<lb/> teten Händen im Hauſe, Gretchen lag in ſchweren<lb/> Kindesnöthen. Klärchen lief zu Guſtchen Vogler, lief<lb/> zum Arzt; der fand das Kind freilich ſehr krank, er<lb/> hatte es aber nicht anders erwartet. Guſtchen blieb<lb/> die Nacht, machte Thee, wärmte Tücher und hörte<lb/> Klärchens Klagen an. Die Nacht war ſo lang, dichte<lb/> Schneeflocken hielten die Dämmerung am Morgen noch<lb/> länger auf. Endlich ward es Tag. Klärchen hielt<lb/> laut jammernd das ſterbende Kind auf dem Schooße,<lb/> als die Thür ſich öffnete und Tante Rieke eintrat.</p><lb/> <p>Eben ſtirbt mein Kind! rief Klärchen verzweif¬<lb/> lungsvoll.</p><lb/> <p>Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genom¬<lb/> men, ſein Name ſei gelobt ewiglich, — ſagte die<lb/> Tante bewegt.</p><lb/> <p>Nein, nein, rief Klärchen und küßte den letzten<lb/> Athemzug von des Kindes Lippen.</p><lb/> <p>Ja, ja, ſagte die Tante. Klärchen, laß uns<lb/> beten, wir ſind jetzt beide kinderlos, — Thränen er¬<lb/> ſtickten ihre Stimme, — auch mein Gretchen iſt hin¬<lb/> übergegangen.<lb/></p> </body> </text> </TEI> [139/0145]
empfand große Qualen; je mehr ſie das Kind hegte
und pflegte, je furchtbarer ward ihr der Gedanke ſei¬
nes Todes. Eines Abends wollte es die Bruſt nicht
mehr nehmen und hing matt das Köpfchen; wie ein
Schwert fuhr der Schmerz durch Klärchens Bruſt. Sie
wußte in der Angſt nicht was beginnen; der liebe
Gott will nicht helfen, vielleicht können es Menſchen.
Sie ſtürzte zur Tante, aber bei Buchſteins war Angſt
und Verwirrung, der alte Benjamin ſtand mit gefal¬
teten Händen im Hauſe, Gretchen lag in ſchweren
Kindesnöthen. Klärchen lief zu Guſtchen Vogler, lief
zum Arzt; der fand das Kind freilich ſehr krank, er
hatte es aber nicht anders erwartet. Guſtchen blieb
die Nacht, machte Thee, wärmte Tücher und hörte
Klärchens Klagen an. Die Nacht war ſo lang, dichte
Schneeflocken hielten die Dämmerung am Morgen noch
länger auf. Endlich ward es Tag. Klärchen hielt
laut jammernd das ſterbende Kind auf dem Schooße,
als die Thür ſich öffnete und Tante Rieke eintrat.
Eben ſtirbt mein Kind! rief Klärchen verzweif¬
lungsvoll.
Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genom¬
men, ſein Name ſei gelobt ewiglich, — ſagte die
Tante bewegt.
Nein, nein, rief Klärchen und küßte den letzten
Athemzug von des Kindes Lippen.
Ja, ja, ſagte die Tante. Klärchen, laß uns
beten, wir ſind jetzt beide kinderlos, — Thränen er¬
ſtickten ihre Stimme, — auch mein Gretchen iſt hin¬
übergegangen.
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