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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Morgen in der Kirche, wo sie zum Herrn so dringend
gefleht, ihr doch die Theilnahme und Liebe guter Men¬
schen wieder zuzuwenden, weil sie doch noch ein gar
zu schwankendes Rohr sei und leicht muthlos werden
könne; aber die Freude, bei der Frau Generalin im
Hause arbeiten zu dürfen, müsse sie erst mit der Zeit
verdienen, sie müsse sich jetzt noch zu sehr schämen und
fürchten, ihre Wohlthäterin könne ihr noch nicht trauen.

Diese aufrichtige Reue machte die Generalin im¬
mer gütiger, und Klärchen schied von ihr das Herz
voller Trost und froher Hoffnungen. Aber der Herr
wollte sie lehren, gar keinen Trost bei Menschen, son¬
dern bei ihm allein zu suchen, und führte sie noch
schwere Wege.

Als sie nach Hause kam, hatte ihre Mutter das
kleine Gretchen auf dem Arm, und Klärchen bemerkte
zum erstenmal, daß ihr Kindchen nicht so aussah wie
andere Kinder dieses Alters. Ein jäher Schreck fuhr
durch ihre Seele, sie nahm es, sah ihm in die gro¬
ßen, blauen Augen, faßte die welken Hände und sah
flehend zum Himmel auf. Nein, das kann der Herr
nicht thun, das könntest du auch nicht ertragen! dachte
sie. Vielleicht will er nur deinen Glauben prüfen, und
du willst nicht aufhören zu bitten.

Sie forschte bei der Mutter und bei der Tante
und anderen Bekannten nach deren Meinungen über
das Kind, und es war ihr Balsam, zu hören, wie
schwächliche Kinder oft leichter über die ersten Jahre
hinkämen, als starke und vollsäftige. Ach, dachte sie,
du willst es sorgsam pflegen und hüten, und der liebe
Gott wird das segnen.

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Morgen in der Kirche, wo ſie zum Herrn ſo dringend
gefleht, ihr doch die Theilnahme und Liebe guter Men¬
ſchen wieder zuzuwenden, weil ſie doch noch ein gar
zu ſchwankendes Rohr ſei und leicht muthlos werden
könne; aber die Freude, bei der Frau Generalin im
Hauſe arbeiten zu dürfen, müſſe ſie erſt mit der Zeit
verdienen, ſie müſſe ſich jetzt noch zu ſehr ſchämen und
fürchten, ihre Wohlthäterin könne ihr noch nicht trauen.

Dieſe aufrichtige Reue machte die Generalin im¬
mer gütiger, und Klärchen ſchied von ihr das Herz
voller Troſt und froher Hoffnungen. Aber der Herr
wollte ſie lehren, gar keinen Troſt bei Menſchen, ſon¬
dern bei ihm allein zu ſuchen, und führte ſie noch
ſchwere Wege.

Als ſie nach Hauſe kam, hatte ihre Mutter das
kleine Gretchen auf dem Arm, und Klärchen bemerkte
zum erſtenmal, daß ihr Kindchen nicht ſo ausſah wie
andere Kinder dieſes Alters. Ein jäher Schreck fuhr
durch ihre Seele, ſie nahm es, ſah ihm in die gro¬
ßen, blauen Augen, faßte die welken Hände und ſah
flehend zum Himmel auf. Nein, das kann der Herr
nicht thun, das könnteſt du auch nicht ertragen! dachte
ſie. Vielleicht will er nur deinen Glauben prüfen, und
du willſt nicht aufhören zu bitten.

Sie forſchte bei der Mutter und bei der Tante
und anderen Bekannten nach deren Meinungen über
das Kind, und es war ihr Balſam, zu hören, wie
ſchwächliche Kinder oft leichter über die erſten Jahre
hinkämen, als ſtarke und vollſäftige. Ach, dachte ſie,
du willſt es ſorgſam pflegen und hüten, und der liebe
Gott wird das ſegnen.

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[131/0137] Morgen in der Kirche, wo ſie zum Herrn ſo dringend gefleht, ihr doch die Theilnahme und Liebe guter Men¬ ſchen wieder zuzuwenden, weil ſie doch noch ein gar zu ſchwankendes Rohr ſei und leicht muthlos werden könne; aber die Freude, bei der Frau Generalin im Hauſe arbeiten zu dürfen, müſſe ſie erſt mit der Zeit verdienen, ſie müſſe ſich jetzt noch zu ſehr ſchämen und fürchten, ihre Wohlthäterin könne ihr noch nicht trauen. Dieſe aufrichtige Reue machte die Generalin im¬ mer gütiger, und Klärchen ſchied von ihr das Herz voller Troſt und froher Hoffnungen. Aber der Herr wollte ſie lehren, gar keinen Troſt bei Menſchen, ſon¬ dern bei ihm allein zu ſuchen, und führte ſie noch ſchwere Wege. Als ſie nach Hauſe kam, hatte ihre Mutter das kleine Gretchen auf dem Arm, und Klärchen bemerkte zum erſtenmal, daß ihr Kindchen nicht ſo ausſah wie andere Kinder dieſes Alters. Ein jäher Schreck fuhr durch ihre Seele, ſie nahm es, ſah ihm in die gro¬ ßen, blauen Augen, faßte die welken Hände und ſah flehend zum Himmel auf. Nein, das kann der Herr nicht thun, das könnteſt du auch nicht ertragen! dachte ſie. Vielleicht will er nur deinen Glauben prüfen, und du willſt nicht aufhören zu bitten. Sie forſchte bei der Mutter und bei der Tante und anderen Bekannten nach deren Meinungen über das Kind, und es war ihr Balſam, zu hören, wie ſchwächliche Kinder oft leichter über die erſten Jahre hinkämen, als ſtarke und vollſäftige. Ach, dachte ſie, du willſt es ſorgſam pflegen und hüten, und der liebe Gott wird das ſegnen. 9 *

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/137>, abgerufen am 26.11.2024.