Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.erstenmal in ihrem Leben etwas wie ein ernstliches Klärchen dachte darauf, wie sie Bekanntschaft mit Ende Juni genas sie glücklich eines kleinen Mäd¬ erſtenmal in ihrem Leben etwas wie ein ernſtliches Klärchen dachte darauf, wie ſie Bekanntſchaft mit Ende Juni genas ſie glücklich eines kleinen Mäd¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0125" n="119"/> erſtenmal in ihrem Leben etwas wie ein ernſtliches<lb/> Gebet vor den Herrn. Als beim Hinausgehen Fri¬<lb/> tzens Augen ihrem weichen, theilnehmenden Blicke be¬<lb/> gegneten, fuhr ein freudiger Schreck in ſein Herz, und<lb/> wenn er dies Herz auch ganz und gar ſeinem Gret¬<lb/> chen geſchenkt, ſo war es doch immer, als ob er<lb/> Klärchens Seele mit auf ſeiner Seele tragen müſſe.<lb/> Die heißen Gebete ſeiner Jugend konnte er nicht verlo¬<lb/> ren geben.</p><lb/> <p>Klärchen dachte darauf, wie ſie Bekanntſchaft mit<lb/> dem Prediger machen könne. So geradezu hinzuge¬<lb/> gehen war ihr unmöglich, es mußte ſich eine Gele¬<lb/> genheit darbieten, und dieſe hoffte ſie am leichteſten<lb/> in der Taufe ihres Kindes zu finden. Zu Günther<lb/> ſprach ſie noch nicht davon, obgleich ſie fühlte, ein<lb/> jeder Prediger würde ihm gleich ſein. Sie fürchtete<lb/> doch ſeinen Widerſpruch und wollte eine gelegenere<lb/> Zeit abwarten. Aber mit troſtvollen Hoffnungen und<lb/> Plänen beſchäftigte ſie ſich in den ſtillen Wochen bis<lb/> zur Geburt ihres Kindes.</p><lb/> <p>Ende Juni genas ſie glücklich eines kleinen Mäd¬<lb/> chens. Günther war ſehr erfreut und ſehr aufmerkſam<lb/> gegen Mutter und Kind. Klärchen hatte zwar ſchon<lb/> in den Wochen vorher eine freudige, wenn auch oft<lb/> unruhige und zerſtreute Stimmung an ihm bemerkt,<lb/> jetzt kam aber unzweifelhaft die Freude an ihr und<lb/> dem Kinde dazu. Sie war ſchöner erblüht als je, und<lb/> das Kind hatte die großen, blauen Augen und feinen<lb/> Züge der Mutter. Günther war aufmerkſam wie in<lb/> den erſten Tagen ſeiner Liebe, ſchöne Geſchenke brach¬<lb/> ten ſeine Hände und ſchmeichleriſche Worte entglitten<lb/></p> </body> </text> </TEI> [119/0125]
erſtenmal in ihrem Leben etwas wie ein ernſtliches
Gebet vor den Herrn. Als beim Hinausgehen Fri¬
tzens Augen ihrem weichen, theilnehmenden Blicke be¬
gegneten, fuhr ein freudiger Schreck in ſein Herz, und
wenn er dies Herz auch ganz und gar ſeinem Gret¬
chen geſchenkt, ſo war es doch immer, als ob er
Klärchens Seele mit auf ſeiner Seele tragen müſſe.
Die heißen Gebete ſeiner Jugend konnte er nicht verlo¬
ren geben.
Klärchen dachte darauf, wie ſie Bekanntſchaft mit
dem Prediger machen könne. So geradezu hinzuge¬
gehen war ihr unmöglich, es mußte ſich eine Gele¬
genheit darbieten, und dieſe hoffte ſie am leichteſten
in der Taufe ihres Kindes zu finden. Zu Günther
ſprach ſie noch nicht davon, obgleich ſie fühlte, ein
jeder Prediger würde ihm gleich ſein. Sie fürchtete
doch ſeinen Widerſpruch und wollte eine gelegenere
Zeit abwarten. Aber mit troſtvollen Hoffnungen und
Plänen beſchäftigte ſie ſich in den ſtillen Wochen bis
zur Geburt ihres Kindes.
Ende Juni genas ſie glücklich eines kleinen Mäd¬
chens. Günther war ſehr erfreut und ſehr aufmerkſam
gegen Mutter und Kind. Klärchen hatte zwar ſchon
in den Wochen vorher eine freudige, wenn auch oft
unruhige und zerſtreute Stimmung an ihm bemerkt,
jetzt kam aber unzweifelhaft die Freude an ihr und
dem Kinde dazu. Sie war ſchöner erblüht als je, und
das Kind hatte die großen, blauen Augen und feinen
Züge der Mutter. Günther war aufmerkſam wie in
den erſten Tagen ſeiner Liebe, ſchöne Geſchenke brach¬
ten ſeine Hände und ſchmeichleriſche Worte entglitten
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