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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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welch ein Mann er war gegen die Männer, die jetzt
in ihre Nähe kamen, wie getrost und ruhig Gretchen
sein konnte, das hausbackene Gretchen, und wie sie
selbst trotz des seidenen Mantels und des Sammethutes
in Angst und Schrecken lebte. Daß die Zukunft ihr
nichts Besseres bringen könne, war sie sicher. Ja, ihr
bangte vor dieser Zukunft, und das bitterste Gefühl
dabei war, daß sie ihr Schicksal selbst verschuldet.
Wie sie jetzt noch sich retten könne, wußte sie nicht;
an den Helfer und Retter dort oben sich zu wenden,
fehlte ihr Glauben und Muth; ihr Leben war nun
einmal so, sie mußte sehen, wie es abliefe.

Der Januar ging Klärchen mit Nähen von Kin¬
dersachen sehr schnell dahin, sie lernte da einen Genuß
kennen, der ihr ganz neu war, den Genuß des Still¬
lebens und des Fleißes. Ihre Gedanken waren bei
dem Kindchen, das einst in diesen Kleidern stecken
sollte, und süße Freude durchströmte ihr Herz. Diese
Freude des Stilllebens aber sollte ihr nicht lange blei¬
ben. Günther, der in der freudigen Aufregung, in
der er sich seit Wochen befand, öfter als je eine Flasche
guten Weines trank, that das in seiner eigenen Woh¬
nung, um ungestört und sicher seinen Rausch ausku¬
riren zu können. Oft ging das ganz still ab, oft aber
tobte er und lärmte und Klärchen hatte Mühe und
Noth, ihn zur Ruhe zu bringen. So war es An¬
fang Februars geworden. Seit acht Tagen war Klär¬
chen unwohl und die Mutter Tag und Nacht bei ihr,
um die Hausarbeit zu verrichten, daneben aber auch
um den oft angetrunkenen Schwiegersohn zu bedienen.
Sie verstand das besser als die Tochter, sie hatte Er¬

welch ein Mann er war gegen die Männer, die jetzt
in ihre Nähe kamen, wie getroſt und ruhig Gretchen
ſein konnte, das hausbackene Gretchen, und wie ſie
ſelbſt trotz des ſeidenen Mantels und des Sammethutes
in Angſt und Schrecken lebte. Daß die Zukunft ihr
nichts Beſſeres bringen könne, war ſie ſicher. Ja, ihr
bangte vor dieſer Zukunft, und das bitterſte Gefühl
dabei war, daß ſie ihr Schickſal ſelbſt verſchuldet.
Wie ſie jetzt noch ſich retten könne, wußte ſie nicht;
an den Helfer und Retter dort oben ſich zu wenden,
fehlte ihr Glauben und Muth; ihr Leben war nun
einmal ſo, ſie mußte ſehen, wie es abliefe.

Der Januar ging Klärchen mit Nähen von Kin¬
derſachen ſehr ſchnell dahin, ſie lernte da einen Genuß
kennen, der ihr ganz neu war, den Genuß des Still¬
lebens und des Fleißes. Ihre Gedanken waren bei
dem Kindchen, das einſt in dieſen Kleidern ſtecken
ſollte, und ſüße Freude durchſtrömte ihr Herz. Dieſe
Freude des Stilllebens aber ſollte ihr nicht lange blei¬
ben. Günther, der in der freudigen Aufregung, in
der er ſich ſeit Wochen befand, öfter als je eine Flaſche
guten Weines trank, that das in ſeiner eigenen Woh¬
nung, um ungeſtört und ſicher ſeinen Rauſch ausku¬
riren zu können. Oft ging das ganz ſtill ab, oft aber
tobte er und lärmte und Klärchen hatte Mühe und
Noth, ihn zur Ruhe zu bringen. So war es An¬
fang Februars geworden. Seit acht Tagen war Klär¬
chen unwohl und die Mutter Tag und Nacht bei ihr,
um die Hausarbeit zu verrichten, daneben aber auch
um den oft angetrunkenen Schwiegerſohn zu bedienen.
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[110/0116] welch ein Mann er war gegen die Männer, die jetzt in ihre Nähe kamen, wie getroſt und ruhig Gretchen ſein konnte, das hausbackene Gretchen, und wie ſie ſelbſt trotz des ſeidenen Mantels und des Sammethutes in Angſt und Schrecken lebte. Daß die Zukunft ihr nichts Beſſeres bringen könne, war ſie ſicher. Ja, ihr bangte vor dieſer Zukunft, und das bitterſte Gefühl dabei war, daß ſie ihr Schickſal ſelbſt verſchuldet. Wie ſie jetzt noch ſich retten könne, wußte ſie nicht; an den Helfer und Retter dort oben ſich zu wenden, fehlte ihr Glauben und Muth; ihr Leben war nun einmal ſo, ſie mußte ſehen, wie es abliefe. Der Januar ging Klärchen mit Nähen von Kin¬ derſachen ſehr ſchnell dahin, ſie lernte da einen Genuß kennen, der ihr ganz neu war, den Genuß des Still¬ lebens und des Fleißes. Ihre Gedanken waren bei dem Kindchen, das einſt in dieſen Kleidern ſtecken ſollte, und ſüße Freude durchſtrömte ihr Herz. Dieſe Freude des Stilllebens aber ſollte ihr nicht lange blei¬ ben. Günther, der in der freudigen Aufregung, in der er ſich ſeit Wochen befand, öfter als je eine Flaſche guten Weines trank, that das in ſeiner eigenen Woh¬ nung, um ungeſtört und ſicher ſeinen Rauſch ausku¬ riren zu können. Oft ging das ganz ſtill ab, oft aber tobte er und lärmte und Klärchen hatte Mühe und Noth, ihn zur Ruhe zu bringen. So war es An¬ fang Februars geworden. Seit acht Tagen war Klär¬ chen unwohl und die Mutter Tag und Nacht bei ihr, um die Hausarbeit zu verrichten, daneben aber auch um den oft angetrunkenen Schwiegerſohn zu bedienen. Sie verſtand das beſſer als die Tochter, ſie hatte Er¬

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/116>, abgerufen am 28.11.2024.