an den Tag kommen? Und wenn die Tor- tur soll abgeschafft werden, was ist an ihre Stelle zu setzen? Der scharfe Blick des Richters, sprach Theodor mit Sonnenfels. Jch wollte du hättest das nicht gesagt, mein Sohn, fiel die frömmelnde Mutter hier ein, welcher übrigens die Suada des Sohnes manche Freudenthräne entlockt hatte, wer kann einem Menschen ins Herz sehen, und wie sollt' es ein Richter wagen unserm Her- regott ins Amt zu fallen? Theodor, der ganz moderne Kopf, der alle Vorurtheile und besonders religiöse so sehr haßte als die Folter, sagte mit einiger Aufwallung, die der Widerspruch von einer Seite veranlaßte, von welcher er sich nur Beyfall verhieß, und im Ton eines iungen Weltmanns. O Mama, wir haben in unsern Tagen meh- rere Vorrechte des Himmels geschmälert, die ihm ehedem Unverstand und Aberglaube lieh. Ein kühner Mann hat in einem fer-
nen
an den Tag kommen? Und wenn die Tor- tur ſoll abgeſchafft werden, was iſt an ihre Stelle zu ſetzen? Der ſcharfe Blick des Richters, ſprach Theodor mit Sonnenfels. Jch wollte du haͤtteſt das nicht geſagt, mein Sohn, fiel die froͤmmelnde Mutter hier ein, welcher uͤbrigens die Suada des Sohnes manche Freudenthraͤne entlockt hatte, wer kann einem Menſchen ins Herz ſehen, und wie ſollt’ es ein Richter wagen unſerm Her- regott ins Amt zu fallen? Theodor, der ganz moderne Kopf, der alle Vorurtheile und beſonders religioͤſe ſo ſehr haßte als die Folter, ſagte mit einiger Aufwallung, die der Widerſpruch von einer Seite veranlaßte, von welcher er ſich nur Beyfall verhieß, und im Ton eines iungen Weltmanns. O Mama, wir haben in unſern Tagen meh- rere Vorrechte des Himmels geſchmaͤlert, die ihm ehedem Unverſtand und Aberglaube lieh. Ein kuͤhner Mann hat in einem fer-
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an den Tag kommen? Und wenn die Tor-
tur ſoll abgeſchafft werden, was iſt an ihre
Stelle zu ſetzen? Der ſcharfe Blick des
Richters, ſprach Theodor mit Sonnenfels.
Jch wollte du haͤtteſt das nicht geſagt, mein
Sohn, fiel die froͤmmelnde Mutter hier ein,
welcher uͤbrigens die Suada des Sohnes
manche Freudenthraͤne entlockt hatte, wer
kann einem Menſchen ins Herz ſehen, und
wie ſollt’ es ein Richter wagen unſerm Her-
regott ins Amt zu fallen? Theodor, der
ganz moderne Kopf, der alle Vorurtheile
und beſonders religioͤſe ſo ſehr haßte als die
Folter, ſagte mit einiger Aufwallung, die
der Widerſpruch von einer Seite veranlaßte,
von welcher er ſich nur Beyfall verhieß,
und im Ton eines iungen Weltmanns. O
Mama, wir haben in unſern Tagen meh-
rere Vorrechte des Himmels geſchmaͤlert,
die ihm ehedem Unverſtand und Aberglaube
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/30>, abgerufen am 22.12.2024.
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