uns dem Hund lieber einen bösen Namen machen. Drauf thät er gemachsam seine Ladenthür auf, ließ den Hund hinaus, und rief hinter her: ein ieder wahre sich, der Hund ist toll! Alsbald floh alles von den Straßen, das Gerücht von dem tollen Hund lief durch die ganze Stadt, iedermann thät seine Hausthür zu und nahm die Kinder herein. Ein wohlweiser Magistrat aber schickt' ein paar Scharfschützen nach, die den Hund erlegten. Mußte das arme Vieh um des bösen Namens willen, seine Genäschigkeit mit dem Leben bezahlen. Jch kenne nichts, das unter den Menschen- brüdern gemeiner sey, als einander einen bösen Namen zu machen. Denn so bald sich Einer beygehen läßt, das Stücklein Wurst der Erudition, Reputation, Kultur, oder Gewerbschaft anzubeißen, das ein An- drer als sein Eigenthum betrachtet: so tritt der Andre in die Thür seines Gewölbes,
und
uns dem Hund lieber einen boͤſen Namen machen. Drauf thaͤt er gemachſam ſeine Ladenthuͤr auf, ließ den Hund hinaus, und rief hinter her: ein ieder wahre ſich, der Hund iſt toll! Alsbald floh alles von den Straßen, das Geruͤcht von dem tollen Hund lief durch die ganze Stadt, iedermann thaͤt ſeine Hausthuͤr zu und nahm die Kinder herein. Ein wohlweiſer Magiſtrat aber ſchickt’ ein paar Scharfſchuͤtzen nach, die den Hund erlegten. Mußte das arme Vieh um des boͤſen Namens willen, ſeine Genaͤſchigkeit mit dem Leben bezahlen. Jch kenne nichts, das unter den Menſchen- bruͤdern gemeiner ſey, als einander einen boͤſen Namen zu machen. Denn ſo bald ſich Einer beygehen laͤßt, das Stuͤcklein Wurſt der Erudition, Reputation, Kultur, oder Gewerbſchaft anzubeißen, das ein An- drer als ſein Eigenthum betrachtet: ſo tritt der Andre in die Thuͤr ſeines Gewoͤlbes,
und
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uns dem Hund lieber einen boͤſen Namen
machen. Drauf thaͤt er gemachſam ſeine
Ladenthuͤr auf, ließ den Hund hinaus, und
rief hinter her: ein ieder wahre ſich, der
Hund iſt toll! Alsbald floh alles von den
Straßen, das Geruͤcht von dem tollen Hund
lief durch die ganze Stadt, iedermann thaͤt
ſeine Hausthuͤr zu und nahm die Kinder
herein. Ein wohlweiſer Magiſtrat aber
ſchickt’ ein paar Scharfſchuͤtzen nach, die
den Hund erlegten. Mußte das arme
Vieh um des boͤſen Namens willen, ſeine
Genaͤſchigkeit mit dem Leben bezahlen.
Jch kenne nichts, das unter den Menſchen-
bruͤdern gemeiner ſey, als einander einen
boͤſen Namen zu machen. Denn ſo bald
ſich Einer beygehen laͤßt, das Stuͤcklein
Wurſt der Erudition, Reputation, Kultur,
oder Gewerbſchaft anzubeißen, das ein An-
drer als ſein Eigenthum betrachtet: ſo tritt
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/291>, abgerufen am 22.12.2024.
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