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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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nicht, wenn unter unserm vornehmen Frau-
envolk, das den Genuß des trocknen Brod-
tes verschmähet, und durch häuffigen Ge-
brauch heisser Geträncke, schädlichen Zucker-
werkes, und der Fleischspeisen das Gebiß
von Jugend an verunstaltet, entweder zei-
tig abzahnt, oder durch den Scheuersand
des Zahnpulvers und die metallnen Mauer-
brecher der Zahnstocher die Glasur des Ge-
bisses abschleift, daß es ein scheußlich An-
sehen gewinnt, die Physiognomen so we-
nig gute, feine, reinliche, liebreiche, treue
Menschen entdecken können. Der Mann
behagte mir in Ansehung seiner Körper-
form besonders. Seine Statur war nach
dem richtigsten Ebenmaaß, und der feinste
Kenner würde daran nichts abgeschlagenes,
abgefeiltes, angeflicktes, das heißt, keine
wächserne Nase, kein gläsern Auge, kei-
nen falschen Zahn u. s. w. haben entdecken
können; alles ein reines Ganzes, die schön-

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S 2

nicht, wenn unter unſerm vornehmen Frau-
envolk, das den Genuß des trocknen Brod-
tes verſchmaͤhet, und durch haͤuffigen Ge-
brauch heiſſer Getraͤncke, ſchaͤdlichen Zucker-
werkes, und der Fleiſchſpeiſen das Gebiß
von Jugend an verunſtaltet, entweder zei-
tig abzahnt, oder durch den Scheuerſand
des Zahnpulvers und die metallnen Mauer-
brecher der Zahnſtocher die Glaſur des Ge-
biſſes abſchleift, daß es ein ſcheußlich An-
ſehen gewinnt, die Phyſiognomen ſo we-
nig gute, feine, reinliche, liebreiche, treue
Menſchen entdecken koͤnnen. Der Mann
behagte mir in Anſehung ſeiner Koͤrper-
form beſonders. Seine Statur war nach
dem richtigſten Ebenmaaß, und der feinſte
Kenner wuͤrde daran nichts abgeſchlagenes,
abgefeiltes, angeflicktes, das heißt, keine
waͤchſerne Naſe, kein glaͤſern Auge, kei-
nen falſchen Zahn u. ſ. w. haben entdecken
koͤnnen; alles ein reines Ganzes, die ſchoͤn-

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[275/0283] nicht, wenn unter unſerm vornehmen Frau- envolk, das den Genuß des trocknen Brod- tes verſchmaͤhet, und durch haͤuffigen Ge- brauch heiſſer Getraͤncke, ſchaͤdlichen Zucker- werkes, und der Fleiſchſpeiſen das Gebiß von Jugend an verunſtaltet, entweder zei- tig abzahnt, oder durch den Scheuerſand des Zahnpulvers und die metallnen Mauer- brecher der Zahnſtocher die Glaſur des Ge- biſſes abſchleift, daß es ein ſcheußlich An- ſehen gewinnt, die Phyſiognomen ſo we- nig gute, feine, reinliche, liebreiche, treue Menſchen entdecken koͤnnen. Der Mann behagte mir in Anſehung ſeiner Koͤrper- form beſonders. Seine Statur war nach dem richtigſten Ebenmaaß, und der feinſte Kenner wuͤrde daran nichts abgeſchlagenes, abgefeiltes, angeflicktes, das heißt, keine waͤchſerne Naſe, kein glaͤſern Auge, kei- nen falſchen Zahn u. ſ. w. haben entdecken koͤnnen; alles ein reines Ganzes, die ſchoͤn- ſte S 2

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/283>, abgerufen am 25.11.2024.