eine Schul gegangen. Beyde haben die nämliche Begierde Menschen hinzuwürgen, um sich ihrer Verlassenschaft zu bemächti- gen. Darum so oft ich den Richter inen Dieb zum Galgen geleiten seh, denk ich im- mer an einen Hecht, der eine Aalraupe ver- schlingt.
Ehe noch die gewaltsame Wahrheitspro- be in Burgholzheim ihren Fortgang hatte, langte der iunge Theodor auf dem väterli- chen Erbfitz an, und erwarb sich da als ar- mer Sünder Patron, mit mehrerm Rechte den Beynamen Soter von den Malefikan- ten, als ehemals Antiochus der Syrer von seinen Hofschmeichlern. Der empfindsame Knabe, nach dem Ton der sentimentalischen Welt gestimmt, dems schwarz vor den Au- gen wurde, wenn er einer Aderlasse zusah, konnt's nicht aushalten, daß der Gerichts- pfleger den Patron, um ihm die Eßlust bey der Mahlzeit zu vermehren, vom Würgen
und
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eine Schul gegangen. Beyde haben die naͤmliche Begierde Menſchen hinzuwuͤrgen, um ſich ihrer Verlaſſenſchaft zu bemaͤchti- gen. Darum ſo oft ich den Richter inen Dieb zum Galgen geleiten ſeh, denk ich im- mer an einen Hecht, der eine Aalraupe ver- ſchlingt.
Ehe noch die gewaltſame Wahrheitspro- be in Burgholzheim ihren Fortgang hatte, langte der iunge Theodor auf dem vaͤterli- chen Erbfitz an, und erwarb ſich da als ar- mer Suͤnder Patron, mit mehrerm Rechte den Beynamen Soter von den Malefikan- ten, als ehemals Antiochus der Syrer von ſeinen Hofſchmeichlern. Der empfindſame Knabe, nach dem Ton der ſentimentaliſchen Welt geſtimmt, dems ſchwarz vor den Au- gen wurde, wenn er einer Aderlaſſe zuſah, konnt’s nicht aushalten, daß der Gerichts- pfleger den Patron, um ihm die Eßluſt bey der Mahlzeit zu vermehren, vom Wuͤrgen
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eine Schul gegangen. Beyde haben die
naͤmliche Begierde Menſchen hinzuwuͤrgen,
um ſich ihrer Verlaſſenſchaft zu bemaͤchti-
gen. Darum ſo oft ich den Richter inen
Dieb zum Galgen geleiten ſeh, denk ich im-
mer an einen Hecht, der eine Aalraupe ver-
ſchlingt.
Ehe noch die gewaltſame Wahrheitspro-
be in Burgholzheim ihren Fortgang hatte,
langte der iunge Theodor auf dem vaͤterli-
chen Erbfitz an, und erwarb ſich da als ar-
mer Suͤnder Patron, mit mehrerm Rechte
den Beynamen Soter von den Malefikan-
ten, als ehemals Antiochus der Syrer von
ſeinen Hofſchmeichlern. Der empfindſame
Knabe, nach dem Ton der ſentimentaliſchen
Welt geſtimmt, dems ſchwarz vor den Au-
gen wurde, wenn er einer Aderlaſſe zuſah,
konnt’s nicht aushalten, daß der Gerichts-
pfleger den Patron, um ihm die Eßluſt bey
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/27>, abgerufen am 25.11.2024.
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