nem Vortrag dadurch wär unterbrochen worden, daß ich von der Gesellschaft im Theezimmer aufgefordert wurde, eine phy- siognomische Vorlesung zu halten. Obgleich bey weitem der größte Theil der Anwesen- den nur aus Layen bestund, die von der physiognomischen Kunst so wenig begriffen, als ehemals die Fischgemeinde von der evan- gelischen Predigt des heiligen Franziskus: so hielt ich doch dafür, daß dieser Ruf nicht dürfe abgelehnt werden, weil vielleicht einige gute Seelen für die Kunst könnten gewonnen werden, und trat die physiognomische Mis- sion so freudig an, wie ein Apostel der Bru- dergemeine die seinige unter die Negerskla- ven. Jch ging getrost aus Pult, ergriff ohne Wahl einen Band der Fragmente, thät das Buch auf, und stieß auf die Tafel der Daumenabschattungen Pagina 50 im IV Bande, freuete mich über die Frucht- barkeit der Materie: denn wie viel läßt sich
nicht
nem Vortrag dadurch waͤr unterbrochen worden, daß ich von der Geſellſchaft im Theezimmer aufgefordert wurde, eine phy- ſiognomiſche Vorleſung zu halten. Obgleich bey weitem der groͤßte Theil der Anweſen- den nur aus Layen beſtund, die von der phyſiognomiſchen Kunſt ſo wenig begriffen, als ehemals die Fiſchgemeinde von der evan- geliſchen Predigt des heiligen Franziskus: ſo hielt ich doch dafuͤr, daß dieſer Ruf nicht duͤrfe abgelehnt werden, weil vielleicht einige gute Seelen fuͤr die Kunſt koͤnnten gewonnen werden, und trat die phyſiognomiſche Miſ- ſion ſo freudig an, wie ein Apoſtel der Bru- dergemeine die ſeinige unter die Negerſkla- ven. Jch ging getroſt aus Pult, ergriff ohne Wahl einen Band der Fragmente, thaͤt das Buch auf, und ſtieß auf die Tafel der Daumenabſchattungen Pagina 50 im IV Bande, freuete mich uͤber die Frucht- barkeit der Materie: denn wie viel laͤßt ſich
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nem Vortrag dadurch waͤr unterbrochen
worden, daß ich von der Geſellſchaft im
Theezimmer aufgefordert wurde, eine phy-
ſiognomiſche Vorleſung zu halten. Obgleich
bey weitem der groͤßte Theil der Anweſen-
den nur aus Layen beſtund, die von der
phyſiognomiſchen Kunſt ſo wenig begriffen,
als ehemals die Fiſchgemeinde von der evan-
geliſchen Predigt des heiligen Franziskus:
ſo hielt ich doch dafuͤr, daß dieſer Ruf nicht
duͤrfe abgelehnt werden, weil vielleicht einige
gute Seelen fuͤr die Kunſt koͤnnten gewonnen
werden, und trat die phyſiognomiſche Miſ-
ſion ſo freudig an, wie ein Apoſtel der Bru-
dergemeine die ſeinige unter die Negerſkla-
ven. Jch ging getroſt aus Pult, ergriff
ohne Wahl einen Band der Fragmente,
thaͤt das Buch auf, und ſtieß auf die Tafel
der Daumenabſchattungen Pagina 50 im
IV Bande, freuete mich uͤber die Frucht-
barkeit der Materie: denn wie viel laͤßt ſich
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/259>, abgerufen am 25.11.2024.
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