Stuhlnachbar an, biß zum Standpunkte des Gegenfüßlers zum Sporn und Stachel dient. -- Aber für die Menschenkennt- niß, fiel ich ihm ins Wort, ist dennoch nichts lehrreicher, als eine Theegesellschaft. Es thut mir leid, daß es auf meiner Reise mir nicht gelungen ist, irgendwo in eine förmliche Theegesellschaft eingeführet zu wer- den: Denn Sie sollen wissen, daß die Art wie eine Theeschaale in die Hand kommt, darinne sich hält, und wieder an ihrem Ort zurückkehrt, uns Physiognomen so bedeut- fam ist, daß wir daraus den ganzen Cha- rakter des Menschen errathen. Dahinge- gen das Weinglaß ein so steriles Objekt für uns ist, daß wir nichts draus judiziren kön- nen; obgleich das Gerücht sagt, daß die Brüder Maurer einander beym ersten Trunk erkennen sollen; denn keiner darf, wie mir Freund Moser, der Geduldiger der Frey- mäurer Gesellschaften einmal versichert hat,
einen
Stuhlnachbar an, biß zum Standpunkte des Gegenfuͤßlers zum Sporn und Stachel dient. — Aber fuͤr die Menſchenkennt- niß, fiel ich ihm ins Wort, iſt dennoch nichts lehrreicher, als eine Theegeſellſchaft. Es thut mir leid, daß es auf meiner Reiſe mir nicht gelungen iſt, irgendwo in eine foͤrmliche Theegeſellſchaft eingefuͤhret zu wer- den: Denn Sie ſollen wiſſen, daß die Art wie eine Theeſchaale in die Hand kommt, darinne ſich haͤlt, und wieder an ihrem Ort zuruͤckkehrt, uns Phyſiognomen ſo bedeut- fam iſt, daß wir daraus den ganzen Cha- rakter des Menſchen errathen. Dahinge- gen das Weinglaß ein ſo ſteriles Objekt fuͤr uns iſt, daß wir nichts draus judiziren koͤn- nen; obgleich das Geruͤcht ſagt, daß die Bruͤder Maurer einander beym erſten Trunk erkennen ſollen; denn keiner darf, wie mir Freund Moſer, der Geduldiger der Frey- maͤurer Geſellſchaften einmal verſichert hat,
einen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0256"n="248"/>
Stuhlnachbar an, biß zum Standpunkte<lb/>
des Gegenfuͤßlers zum Sporn und Stachel<lb/>
dient. — Aber fuͤr die Menſchenkennt-<lb/>
niß, fiel ich ihm ins Wort, iſt dennoch<lb/>
nichts lehrreicher, als eine Theegeſellſchaft.<lb/>
Es thut mir leid, daß es auf meiner Reiſe<lb/>
mir nicht gelungen iſt, irgendwo in eine<lb/>
foͤrmliche Theegeſellſchaft eingefuͤhret zu wer-<lb/>
den: Denn Sie ſollen wiſſen, daß die Art<lb/>
wie eine Theeſchaale in die Hand kommt,<lb/>
darinne ſich haͤlt, und wieder an ihrem Ort<lb/>
zuruͤckkehrt, uns Phyſiognomen ſo bedeut-<lb/>
fam iſt, daß wir daraus den ganzen Cha-<lb/>
rakter des Menſchen errathen. Dahinge-<lb/>
gen das Weinglaß ein ſo ſteriles Objekt fuͤr<lb/>
uns iſt, daß wir nichts draus judiziren koͤn-<lb/>
nen; obgleich das Geruͤcht ſagt, daß die<lb/>
Bruͤder Maurer einander beym erſten Trunk<lb/>
erkennen ſollen; denn keiner darf, wie mir<lb/>
Freund Moſer, der Geduldiger der Frey-<lb/>
maͤurer Geſellſchaften einmal verſichert hat,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[248/0256]
Stuhlnachbar an, biß zum Standpunkte
des Gegenfuͤßlers zum Sporn und Stachel
dient. — Aber fuͤr die Menſchenkennt-
niß, fiel ich ihm ins Wort, iſt dennoch
nichts lehrreicher, als eine Theegeſellſchaft.
Es thut mir leid, daß es auf meiner Reiſe
mir nicht gelungen iſt, irgendwo in eine
foͤrmliche Theegeſellſchaft eingefuͤhret zu wer-
den: Denn Sie ſollen wiſſen, daß die Art
wie eine Theeſchaale in die Hand kommt,
darinne ſich haͤlt, und wieder an ihrem Ort
zuruͤckkehrt, uns Phyſiognomen ſo bedeut-
fam iſt, daß wir daraus den ganzen Cha-
rakter des Menſchen errathen. Dahinge-
gen das Weinglaß ein ſo ſteriles Objekt fuͤr
uns iſt, daß wir nichts draus judiziren koͤn-
nen; obgleich das Geruͤcht ſagt, daß die
Bruͤder Maurer einander beym erſten Trunk
erkennen ſollen; denn keiner darf, wie mir
Freund Moſer, der Geduldiger der Frey-
maͤurer Geſellſchaften einmal verſichert hat,
einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/256>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.