Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmeer vermögen sollte. Auch gabs hier
Witzler von mancherley Art, zwar nicht
vom Sortiment der Blizwitzigen, feinwitzi-
gen, witzbrennenden, sondern der frostig,
matrosisch, burleskewitzigen. Die verschämte
Braut fürchtete sonderlich den Kampagne-
witz des alten Ritters von Urlau, als der
schäumende Pokal anfing ihn zu befeuern.
Mir wars unbegreiflich, wie die fröm-
melnde Gemahlin, die humoristischen Zwey-
deutigkeiten ihres Herrn, wenn sie solche
durch den Ausruf: o Sünder! gereiniget
hatte, goutiren konnte. Scherzhafte Laune
ist die Würze eines Gastmahls, und ich will
dabey lieber ein Paar Schüsseln weniger,
als ein Mahl von zween oder drey Gängen,
in einer schwerfälligen Gesellschaft. Nun
haben die Tischreden zwar das Privilegium,
daß sie einen gleich starken Zusatz von Aber-
witz und Thorheit, wie die Scheidemünze
von Kupfer vertragen, und dennoch Cours

behal-

Schmeer vermoͤgen ſollte. Auch gabs hier
Witzler von mancherley Art, zwar nicht
vom Sortiment der Blizwitzigen, feinwitzi-
gen, witzbrennenden, ſondern der froſtig,
matroſiſch, burleskewitzigen. Die verſchaͤmte
Braut fuͤrchtete ſonderlich den Kampagne-
witz des alten Ritters von Urlau, als der
ſchaͤumende Pokal anfing ihn zu befeuern.
Mir wars unbegreiflich, wie die froͤm-
melnde Gemahlin, die humoriſtiſchen Zwey-
deutigkeiten ihres Herrn, wenn ſie ſolche
durch den Ausruf: o Suͤnder! gereiniget
hatte, goutiren konnte. Scherzhafte Laune
iſt die Wuͤrze eines Gaſtmahls, und ich will
dabey lieber ein Paar Schuͤſſeln weniger,
als ein Mahl von zween oder drey Gaͤngen,
in einer ſchwerfaͤlligen Geſellſchaft. Nun
haben die Tiſchreden zwar das Privilegium,
daß ſie einen gleich ſtarken Zuſatz von Aber-
witz und Thorheit, wie die Scheidemuͤnze
von Kupfer vertragen, und dennoch Cours

behal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0248" n="240"/>
Schmeer vermo&#x0364;gen &#x017F;ollte. Auch gabs hier<lb/>
Witzler von mancherley Art, zwar nicht<lb/>
vom Sortiment der Blizwitzigen, feinwitzi-<lb/>
gen, witzbrennenden, &#x017F;ondern der fro&#x017F;tig,<lb/>
matro&#x017F;i&#x017F;ch, burleskewitzigen. Die ver&#x017F;cha&#x0364;mte<lb/>
Braut fu&#x0364;rchtete &#x017F;onderlich den Kampagne-<lb/>
witz des alten Ritters von Urlau, als der<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;umende Pokal anfing ihn zu befeuern.<lb/>
Mir wars unbegreiflich, wie die fro&#x0364;m-<lb/>
melnde Gemahlin, die humori&#x017F;ti&#x017F;chen Zwey-<lb/>
deutigkeiten ihres Herrn, wenn &#x017F;ie &#x017F;olche<lb/>
durch den Ausruf: o Su&#x0364;nder! gereiniget<lb/>
hatte, goutiren konnte. Scherzhafte Laune<lb/>
i&#x017F;t die Wu&#x0364;rze eines Ga&#x017F;tmahls, und ich will<lb/>
dabey lieber ein Paar Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln weniger,<lb/>
als ein Mahl von zween oder drey Ga&#x0364;ngen,<lb/>
in einer &#x017F;chwerfa&#x0364;lligen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Nun<lb/>
haben die Ti&#x017F;chreden zwar das Privilegium,<lb/>
daß &#x017F;ie einen gleich &#x017F;tarken Zu&#x017F;atz von Aber-<lb/>
witz und Thorheit, wie die Scheidemu&#x0364;nze<lb/>
von Kupfer vertragen, und dennoch Cours<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">behal-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0248] Schmeer vermoͤgen ſollte. Auch gabs hier Witzler von mancherley Art, zwar nicht vom Sortiment der Blizwitzigen, feinwitzi- gen, witzbrennenden, ſondern der froſtig, matroſiſch, burleskewitzigen. Die verſchaͤmte Braut fuͤrchtete ſonderlich den Kampagne- witz des alten Ritters von Urlau, als der ſchaͤumende Pokal anfing ihn zu befeuern. Mir wars unbegreiflich, wie die froͤm- melnde Gemahlin, die humoriſtiſchen Zwey- deutigkeiten ihres Herrn, wenn ſie ſolche durch den Ausruf: o Suͤnder! gereiniget hatte, goutiren konnte. Scherzhafte Laune iſt die Wuͤrze eines Gaſtmahls, und ich will dabey lieber ein Paar Schuͤſſeln weniger, als ein Mahl von zween oder drey Gaͤngen, in einer ſchwerfaͤlligen Geſellſchaft. Nun haben die Tiſchreden zwar das Privilegium, daß ſie einen gleich ſtarken Zuſatz von Aber- witz und Thorheit, wie die Scheidemuͤnze von Kupfer vertragen, und dennoch Cours behal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/248
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/248>, abgerufen am 26.11.2024.