gerad so beurtheilt wie Sie. Spricht: es sey nichts weiter, als ein wollüstiges Wei- bergesicht. Hab ihn dieses Urtheils wegen für einen kalten Krittler ohne Sehkraft aus- gescholten; allein da er mehr unpartheyi- sche Stimmen auf seiner Seite hat, wähn ich schier, Raphaels Pinsel hab auf Lava- ters Urtheil mehr Einfluß gehabt, als sein Gesicht. Dem sey nun wie ihm woll, so viel ist klar, Raphael sey nicht Jhr Mann.
Sie lächelnd. Wollen Sie mir denn einen Mann in den Fragmenten suchen?
Jch. Bewahr Gott! den mögen Sie sich selber suchen, wenn Jhr Herz nicht schon gewählet hat, nur möcht ich Jhre Favoritphysiognomie im Buche kennen.
Sie. Jch wüßte keine.
Jch. So bin ich erböthig, Jhnen ein Favoritideal nachzuweisen. Jst mir ver- sichert worden, daß in der katholischen Chri- stenheit die iungen Frauensleut', wenn sie
einen
gerad ſo beurtheilt wie Sie. Spricht: es ſey nichts weiter, als ein wolluͤſtiges Wei- bergeſicht. Hab ihn dieſes Urtheils wegen fuͤr einen kalten Krittler ohne Sehkraft aus- geſcholten; allein da er mehr unpartheyi- ſche Stimmen auf ſeiner Seite hat, waͤhn ich ſchier, Raphaels Pinſel hab auf Lava- ters Urtheil mehr Einfluß gehabt, als ſein Geſicht. Dem ſey nun wie ihm woll, ſo viel iſt klar, Raphael ſey nicht Jhr Mann.
Sie laͤchelnd. Wollen Sie mir denn einen Mann in den Fragmenten ſuchen?
Jch. Bewahr Gott! den moͤgen Sie ſich ſelber ſuchen, wenn Jhr Herz nicht ſchon gewaͤhlet hat, nur moͤcht ich Jhre Favoritphyſiognomie im Buche kennen.
Sie. Jch wuͤßte keine.
Jch. So bin ich erboͤthig, Jhnen ein Favoritideal nachzuweiſen. Jſt mir ver- ſichert worden, daß in der katholiſchen Chri- ſtenheit die iungen Frauensleut’, wenn ſie
einen
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gerad ſo beurtheilt wie Sie. Spricht: es
ſey nichts weiter, als ein wolluͤſtiges Wei-
bergeſicht. Hab ihn dieſes Urtheils wegen
fuͤr einen kalten Krittler ohne Sehkraft aus-
geſcholten; allein da er mehr unpartheyi-
ſche Stimmen auf ſeiner Seite hat, waͤhn
ich ſchier, Raphaels Pinſel hab auf Lava-
ters Urtheil mehr Einfluß gehabt, als ſein
Geſicht. Dem ſey nun wie ihm woll, ſo
viel iſt klar, Raphael ſey nicht Jhr Mann.
Sie laͤchelnd. Wollen Sie mir denn
einen Mann in den Fragmenten ſuchen?
Jch. Bewahr Gott! den moͤgen Sie
ſich ſelber ſuchen, wenn Jhr Herz nicht
ſchon gewaͤhlet hat, nur moͤcht ich Jhre
Favoritphyſiognomie im Buche kennen.
Sie. Jch wuͤßte keine.
Jch. So bin ich erboͤthig, Jhnen ein
Favoritideal nachzuweiſen. Jſt mir ver-
ſichert worden, daß in der katholiſchen Chri-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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