Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

ein tugendhaftes gutes Kind, und preiße
Sie im Besitz einer so würdigen Tochter
glücklich: aber den Eyd für Gefährde, daß
ihr noch kein glücklicher Jüngling die Liebe
inokulirt habe, möcht ich mir doch nicht de-
feriren lassen. Darum ist mein wohlge-
meinter Rath der, sie gäben dem lieben Kin-
de von Jhrem Vorhaben Bericht, und ver-
nähmen ihre wahren Herzensgesinnungen
darüber. Was der iungfräuliche Mund
auszureden zu blöd ist, wird die reine trug-
lose Physiognomie frey 'raus bekennen. Sie
wissen wohl, wenn der Gordische Ehekno-
ten einmal geschlungen ist, kan ihn nur die
Todessense oder das Konsistorialschwerd
lösen.

Freund Spörtler schüttelte mir traulich
die Hand. Gute Rathschläge, sprach er,
aus eines Freundes Munde, sind güldene
Aepfel in silbernen Schalen. Jch begreife,
daß die Methode der Väter, die vollbürti-

gen

ein tugendhaftes gutes Kind, und preiße
Sie im Beſitz einer ſo wuͤrdigen Tochter
gluͤcklich: aber den Eyd fuͤr Gefaͤhrde, daß
ihr noch kein gluͤcklicher Juͤngling die Liebe
inokulirt habe, moͤcht ich mir doch nicht de-
feriren laſſen. Darum iſt mein wohlge-
meinter Rath der, ſie gaͤben dem lieben Kin-
de von Jhrem Vorhaben Bericht, und ver-
naͤhmen ihre wahren Herzensgeſinnungen
daruͤber. Was der iungfraͤuliche Mund
auszureden zu bloͤd iſt, wird die reine trug-
loſe Phyſiognomie frey ’raus bekennen. Sie
wiſſen wohl, wenn der Gordiſche Ehekno-
ten einmal geſchlungen iſt, kan ihn nur die
Todesſenſe oder das Konſiſtorialſchwerd
loͤſen.

Freund Spoͤrtler ſchuͤttelte mir traulich
die Hand. Gute Rathſchlaͤge, ſprach er,
aus eines Freundes Munde, ſind guͤldene
Aepfel in ſilbernen Schalen. Jch begreife,
daß die Methode der Vaͤter, die vollbuͤrti-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
ein tugendhaftes gutes Kind, und preiße<lb/>
Sie im Be&#x017F;itz einer &#x017F;o wu&#x0364;rdigen Tochter<lb/>
glu&#x0364;cklich: aber den Eyd fu&#x0364;r Gefa&#x0364;hrde, daß<lb/>
ihr noch kein glu&#x0364;cklicher Ju&#x0364;ngling die Liebe<lb/>
inokulirt habe, mo&#x0364;cht ich mir doch nicht de-<lb/>
feriren la&#x017F;&#x017F;en. Darum i&#x017F;t mein wohlge-<lb/>
meinter Rath der, &#x017F;ie ga&#x0364;ben dem lieben Kin-<lb/>
de von Jhrem Vorhaben Bericht, und ver-<lb/>
na&#x0364;hmen ihre wahren Herzensge&#x017F;innungen<lb/>
daru&#x0364;ber. Was der iungfra&#x0364;uliche Mund<lb/>
auszureden zu blo&#x0364;d i&#x017F;t, wird die reine trug-<lb/>
lo&#x017F;e Phy&#x017F;iognomie frey &#x2019;raus bekennen. Sie<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wohl, wenn der Gordi&#x017F;che Ehekno-<lb/>
ten einmal ge&#x017F;chlungen i&#x017F;t, kan ihn nur die<lb/>
Todes&#x017F;en&#x017F;e oder das Kon&#x017F;i&#x017F;torial&#x017F;chwerd<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Freund Spo&#x0364;rtler &#x017F;chu&#x0364;ttelte mir traulich<lb/>
die Hand. Gute Rath&#x017F;chla&#x0364;ge, &#x017F;prach er,<lb/>
aus eines Freundes Munde, &#x017F;ind gu&#x0364;ldene<lb/>
Aepfel in &#x017F;ilbernen Schalen. Jch begreife,<lb/>
daß die Methode der Va&#x0364;ter, die vollbu&#x0364;rti-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] ein tugendhaftes gutes Kind, und preiße Sie im Beſitz einer ſo wuͤrdigen Tochter gluͤcklich: aber den Eyd fuͤr Gefaͤhrde, daß ihr noch kein gluͤcklicher Juͤngling die Liebe inokulirt habe, moͤcht ich mir doch nicht de- feriren laſſen. Darum iſt mein wohlge- meinter Rath der, ſie gaͤben dem lieben Kin- de von Jhrem Vorhaben Bericht, und ver- naͤhmen ihre wahren Herzensgeſinnungen daruͤber. Was der iungfraͤuliche Mund auszureden zu bloͤd iſt, wird die reine trug- loſe Phyſiognomie frey ’raus bekennen. Sie wiſſen wohl, wenn der Gordiſche Ehekno- ten einmal geſchlungen iſt, kan ihn nur die Todesſenſe oder das Konſiſtorialſchwerd loͤſen. Freund Spoͤrtler ſchuͤttelte mir traulich die Hand. Gute Rathſchlaͤge, ſprach er, aus eines Freundes Munde, ſind guͤldene Aepfel in ſilbernen Schalen. Jch begreife, daß die Methode der Vaͤter, die vollbuͤrti- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/184
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/184>, abgerufen am 26.11.2024.