die einzige Frucht ehelicher Liebe aus dem ersten Ehebett, das Ebenbild ihrer Mutter mit der er in glücklicher Eh gelebt habe, so fern nämlich er eine Frau glücklich machen könne. Er sey jederzeit ein warmer Freund, ein kalter Liebhaber, ein zärtlicher Vater, und ein erträglicher Ehemann gewesen. Die stiefmütterliche Zucht hab ihn gar oft in der Seel gekränket; aber um des edlen Haus- friedens willen hab er das liebe Kind nicht protegiren, noch der selgen Frau rühmlich erwähnen dürfen, ohne der Tochter Wehe- tage zu machen, über welche sich der weib- liche Zorn gar leicht ergossen, so daß sie oft unverschuldet die schwere mütterliche Hand habe fühlen müssen. Jch machte da- bey die Bemerkung, daß das der Stiefmüt- ter Sitt und Brauch von Anbeginn gewe- sen sey, von der Dame Juno an, bis auf die Dame Spörtler. Weshalb auch Va- ter Homer, um das stiefmütterliche Kostum
nicht
die einzige Frucht ehelicher Liebe aus dem erſten Ehebett, das Ebenbild ihrer Mutter mit der er in gluͤcklicher Eh gelebt habe, ſo fern naͤmlich er eine Frau gluͤcklich machen koͤnne. Er ſey jederzeit ein warmer Freund, ein kalter Liebhaber, ein zaͤrtlicher Vater, und ein ertraͤglicher Ehemann geweſen. Die ſtiefmuͤtterliche Zucht hab ihn gar oft in der Seel gekraͤnket; aber um des edlen Haus- friedens willen hab er das liebe Kind nicht protegiren, noch der ſelgen Frau ruͤhmlich erwaͤhnen duͤrfen, ohne der Tochter Wehe- tage zu machen, uͤber welche ſich der weib- liche Zorn gar leicht ergoſſen, ſo daß ſie oft unverſchuldet die ſchwere muͤtterliche Hand habe fuͤhlen muͤſſen. Jch machte da- bey die Bemerkung, daß das der Stiefmuͤt- ter Sitt und Brauch von Anbeginn gewe- ſen ſey, von der Dame Juno an, bis auf die Dame Spoͤrtler. Weshalb auch Va- ter Homer, um das ſtiefmuͤtterliche Koſtum
nicht
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die einzige Frucht ehelicher Liebe aus dem
erſten Ehebett, das Ebenbild ihrer Mutter
mit der er in gluͤcklicher Eh gelebt habe, ſo
fern naͤmlich er eine Frau gluͤcklich machen
koͤnne. Er ſey jederzeit ein warmer Freund,
ein kalter Liebhaber, ein zaͤrtlicher Vater,
und ein ertraͤglicher Ehemann geweſen. Die
ſtiefmuͤtterliche Zucht hab ihn gar oft in der
Seel gekraͤnket; aber um des edlen Haus-
friedens willen hab er das liebe Kind nicht
protegiren, noch der ſelgen Frau ruͤhmlich
erwaͤhnen duͤrfen, ohne der Tochter Wehe-
tage zu machen, uͤber welche ſich der weib-
liche Zorn gar leicht ergoſſen, ſo daß ſie
oft unverſchuldet die ſchwere muͤtterliche
Hand habe fuͤhlen muͤſſen. Jch machte da-
bey die Bemerkung, daß das der Stiefmuͤt-
ter Sitt und Brauch von Anbeginn gewe-
ſen ſey, von der Dame Juno an, bis auf
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/163>, abgerufen am 22.11.2024.
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