kenntniß führte? Und was wär uns Men- schenkenntniß ohne Freundschaftskunde? An Sie als einen Kunstgenossen konnt' ich also die Frage mit Recht thun, wie viel Sie Freunde haben, und eine kathegorische Ant- wort darauf begehren.
Er. Meine Bedürfnisse sind in diesem Punkt so mäßig, daß mir an einem einzi- gen Freunde gnüget, dem ich mich mit vol- lem Zutrauen mittheilen kann. Jch erken- ne Sie dafür, und glaube nicht mich in dieser Meinung zu irren.
Jch umarmt' ihn dafür herzlich, und wir bogen beyderseits aus dem Beywege der Unterredung, wieder in die Hauptstraße ein. Worüber, frug ich, sind Sie mit Jhrer Ehefreundin diskrepant?
Er. Ueber einen gewissen Präjudicial- fall, den meine Frau vor ihr Forum gezo- gen hat, und ich meiner Seits hab ihn ganz anders dezidirt. Aber meine Tochter
die
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kenntniß fuͤhrte? Und was waͤr uns Men- ſchenkenntniß ohne Freundſchaftskunde? An Sie als einen Kunſtgenoſſen konnt’ ich alſo die Frage mit Recht thun, wie viel Sie Freunde haben, und eine kathegoriſche Ant- wort darauf begehren.
Er. Meine Beduͤrfniſſe ſind in dieſem Punkt ſo maͤßig, daß mir an einem einzi- gen Freunde gnuͤget, dem ich mich mit vol- lem Zutrauen mittheilen kann. Jch erken- ne Sie dafuͤr, und glaube nicht mich in dieſer Meinung zu irren.
Jch umarmt’ ihn dafuͤr herzlich, und wir bogen beyderſeits aus dem Beywege der Unterredung, wieder in die Hauptſtraße ein. Woruͤber, frug ich, ſind Sie mit Jhrer Ehefreundin diſkrepant?
Er. Ueber einen gewiſſen Praͤjudicial- fall, den meine Frau vor ihr Forum gezo- gen hat, und ich meiner Seits hab ihn ganz anders dezidirt. Aber meine Tochter
die
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kenntniß fuͤhrte? Und was waͤr uns Men-
ſchenkenntniß ohne Freundſchaftskunde? An
Sie als einen Kunſtgenoſſen konnt’ ich alſo
die Frage mit Recht thun, wie viel Sie
Freunde haben, und eine kathegoriſche Ant-
wort darauf begehren.
Er. Meine Beduͤrfniſſe ſind in dieſem
Punkt ſo maͤßig, daß mir an einem einzi-
gen Freunde gnuͤget, dem ich mich mit vol-
lem Zutrauen mittheilen kann. Jch erken-
ne Sie dafuͤr, und glaube nicht mich in
dieſer Meinung zu irren.
Jch umarmt’ ihn dafuͤr herzlich, und
wir bogen beyderſeits aus dem Beywege der
Unterredung, wieder in die Hauptſtraße
ein. Woruͤber, frug ich, ſind Sie mit
Jhrer Ehefreundin diſkrepant?
Er. Ueber einen gewiſſen Praͤjudicial-
fall, den meine Frau vor ihr Forum gezo-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/161>, abgerufen am 22.11.2024.
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