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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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Schmach mit hellen Thränen. Jch war,
wie Sie leicht glauben können, mit diesem
Benehmen sehr unzufrieden; aber ich un-
terdrückte meine Empfindlichkeit, schrieb al-
les auf die Rechnung Jhrer strengen Be-
griffe, und begnügte mich mit dem Ent-
schlusse, Jhr vestalisches Heiligthum nicht
mehr zu betreten, noch dieses der Sophie
zu gestatten. Wie können Sie sich also ei-
nen Streifgang über die Gränze erlauben,
mit der Absicht, in meinem Gebiete ärger
zu haußen als in Feindes Land?

Sagen Sie mir, Cousine, wes Geistes
Kind Sie sind? Sicher umschwebt Sie der
unruhige ikonoklostische Schatten des Doktor
Abedarius, sonst Andreas Bodenstein Carl-
stadt genannt. Wenn Sie bey Jhrer Herbst-
kur die Kirchengeschichte zu Jhrer Herbstlek-
tür erwählet haben, so gnad mir Gott, wenn
Sie erst auf den heillosen Schwärmer den
Thomas Münzer kommen, dann werden

Sie

Schmach mit hellen Thraͤnen. Jch war,
wie Sie leicht glauben koͤnnen, mit dieſem
Benehmen ſehr unzufrieden; aber ich un-
terdruͤckte meine Empfindlichkeit, ſchrieb al-
les auf die Rechnung Jhrer ſtrengen Be-
griffe, und begnuͤgte mich mit dem Ent-
ſchluſſe, Jhr veſtaliſches Heiligthum nicht
mehr zu betreten, noch dieſes der Sophie
zu geſtatten. Wie koͤnnen Sie ſich alſo ei-
nen Streifgang uͤber die Graͤnze erlauben,
mit der Abſicht, in meinem Gebiete aͤrger
zu haußen als in Feindes Land?

Sagen Sie mir, Couſine, wes Geiſtes
Kind Sie ſind? Sicher umſchwebt Sie der
unruhige ikonokloſtiſche Schatten des Doktor
Abedarius, ſonſt Andreas Bodenſtein Carl-
ſtadt genannt. Wenn Sie bey Jhrer Herbſt-
kur die Kirchengeſchichte zu Jhrer Herbſtlek-
tuͤr erwaͤhlet haben, ſo gnad mir Gott, wenn
Sie erſt auf den heilloſen Schwaͤrmer den
Thomas Muͤnzer kommen, dann werden

Sie
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[120/0128] Schmach mit hellen Thraͤnen. Jch war, wie Sie leicht glauben koͤnnen, mit dieſem Benehmen ſehr unzufrieden; aber ich un- terdruͤckte meine Empfindlichkeit, ſchrieb al- les auf die Rechnung Jhrer ſtrengen Be- griffe, und begnuͤgte mich mit dem Ent- ſchluſſe, Jhr veſtaliſches Heiligthum nicht mehr zu betreten, noch dieſes der Sophie zu geſtatten. Wie koͤnnen Sie ſich alſo ei- nen Streifgang uͤber die Graͤnze erlauben, mit der Abſicht, in meinem Gebiete aͤrger zu haußen als in Feindes Land? Sagen Sie mir, Couſine, wes Geiſtes Kind Sie ſind? Sicher umſchwebt Sie der unruhige ikonokloſtiſche Schatten des Doktor Abedarius, ſonſt Andreas Bodenſtein Carl- ſtadt genannt. Wenn Sie bey Jhrer Herbſt- kur die Kirchengeſchichte zu Jhrer Herbſtlek- tuͤr erwaͤhlet haben, ſo gnad mir Gott, wenn Sie erſt auf den heilloſen Schwaͤrmer den Thomas Muͤnzer kommen, dann werden Sie

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/128>, abgerufen am 22.11.2024.