Dr. Baldrian, nach Jhrem selgen Hinschei- den Sie darf skalpen lassen. Es ist mir dabey nicht um Haut und Schopf zu thun wie den Jrokösen, das alles sollen Sie mit in Jhr Ruhekämmerlein nehmen, sondern nur um Jhr Cranium, welches ich zu besi- tzen wünschte. Sie wissen, daß Freund L. in dem letzten Theil seines Werks, allen Freunden der Kunst eine Sammlung von Schädeln von bekannten Personen fürs Stu- dium der Physiognomik anräth. Jch sage, spricht er, von Bekannten: denn der Phy- siognomist soll lernen, ehe er lehren will; er soll Bekanntes mit Bekanntem, unläug- bare äußere Charaktere mit unläugbaren in- neren vergleichen. Der Vorschlag ist vor- trefflich; nur bey der Ausführung hat er ei- nige Schwürigkeit. Wie soll man's anstel- len, zu einer beträchtlichen Schädelsamm- lung von bekannten Personen zu gelangen? Soll die Lieferung durch den Todtengräber
aus
Dr. Baldrian, nach Jhrem ſelgen Hinſchei- den Sie darf ſkalpen laſſen. Es iſt mir dabey nicht um Haut und Schopf zu thun wie den Jrokoͤſen, das alles ſollen Sie mit in Jhr Ruhekaͤmmerlein nehmen, ſondern nur um Jhr Cranium, welches ich zu beſi- tzen wuͤnſchte. Sie wiſſen, daß Freund L. in dem letzten Theil ſeines Werks, allen Freunden der Kunſt eine Sammlung von Schaͤdeln von bekannten Perſonen fuͤrs Stu- dium der Phyſiognomik anraͤth. Jch ſage, ſpricht er, von Bekannten: denn der Phy- ſiognomiſt ſoll lernen, ehe er lehren will; er ſoll Bekanntes mit Bekanntem, unlaͤug- bare aͤußere Charaktere mit unlaͤugbaren in- neren vergleichen. Der Vorſchlag iſt vor- trefflich; nur bey der Ausfuͤhrung hat er ei- nige Schwuͤrigkeit. Wie ſoll man’s anſtel- len, zu einer betraͤchtlichen Schaͤdelſamm- lung von bekannten Perſonen zu gelangen? Soll die Lieferung durch den Todtengraͤber
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Dr. Baldrian, nach Jhrem ſelgen Hinſchei-
den Sie darf ſkalpen laſſen. Es iſt mir
dabey nicht um Haut und Schopf zu thun
wie den Jrokoͤſen, das alles ſollen Sie mit
in Jhr Ruhekaͤmmerlein nehmen, ſondern
nur um Jhr Cranium, welches ich zu beſi-
tzen wuͤnſchte. Sie wiſſen, daß Freund L.
in dem letzten Theil ſeines Werks, allen
Freunden der Kunſt eine Sammlung von
Schaͤdeln von bekannten Perſonen fuͤrs Stu-
dium der Phyſiognomik anraͤth. Jch ſage,
ſpricht er, von Bekannten: denn der Phy-
ſiognomiſt ſoll lernen, ehe er lehren will;
er ſoll Bekanntes mit Bekanntem, unlaͤug-
bare aͤußere Charaktere mit unlaͤugbaren in-
neren vergleichen. Der Vorſchlag iſt vor-
trefflich; nur bey der Ausfuͤhrung hat er ei-
nige Schwuͤrigkeit. Wie ſoll man’s anſtel-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/124>, abgerufen am 22.11.2024.
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