Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

das erste flüchtige Urtheil eines Sehers,
oder der unräsonnirte Gefühlsblick, leicht
für ein Urgenie nehmen und an Jhnen ei-
nen Fehl gebehren könnt. Sie haben Jhre
ganze Originalität der Hypochondrie und
diese wiederum Jhrer kranken Milz zu dan-
ken, das bringt mich auf einen Gedanken,
der bey Gott! mehr ist als ein flüchtiger
Einfall: unsere Originale von aller Gat-
tung und Geschlecht, es seyen Dichter, Den-
ker, Künstler oder Zünftler, tragen meiner
Meinung nach, den Stoff ihrer Originali-
tät nicht im Kopf, sondern im Eingeweid.
Bey Jhnen hat sie ihren Sitz in der Milz,
bey einem Andern vielleicht in der Gallen-
blase oder im Mesenterium, im Duodenum
oder im Blinddarm, besonders wenn ein
tüchtiger Wurmstock drein genistet hat; oder
vielleicht ist der Nieren- und Blasenstein der
eigentliche Stimmhammer der Seele. So
viel weiß ich, daß die Afteroriginalität der

Schrift-

das erſte fluͤchtige Urtheil eines Sehers,
oder der unraͤſonnirte Gefuͤhlsblick, leicht
fuͤr ein Urgenie nehmen und an Jhnen ei-
nen Fehl gebehren koͤnnt. Sie haben Jhre
ganze Originalitaͤt der Hypochondrie und
dieſe wiederum Jhrer kranken Milz zu dan-
ken, das bringt mich auf einen Gedanken,
der bey Gott! mehr iſt als ein fluͤchtiger
Einfall: unſere Originale von aller Gat-
tung und Geſchlecht, es ſeyen Dichter, Den-
ker, Kuͤnſtler oder Zuͤnftler, tragen meiner
Meinung nach, den Stoff ihrer Originali-
taͤt nicht im Kopf, ſondern im Eingeweid.
Bey Jhnen hat ſie ihren Sitz in der Milz,
bey einem Andern vielleicht in der Gallen-
blaſe oder im Meſenterium, im Duodenum
oder im Blinddarm, beſonders wenn ein
tuͤchtiger Wurmſtock drein geniſtet hat; oder
vielleicht iſt der Nieren- und Blaſenſtein der
eigentliche Stimmhammer der Seele. So
viel weiß ich, daß die Afteroriginalitaͤt der

Schrift-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="91"/>
das er&#x017F;te flu&#x0364;chtige Urtheil eines Sehers,<lb/>
oder der unra&#x0364;&#x017F;onnirte Gefu&#x0364;hlsblick, leicht<lb/>
fu&#x0364;r ein Urgenie nehmen und an Jhnen ei-<lb/>
nen Fehl gebehren ko&#x0364;nnt. Sie haben Jhre<lb/>
ganze Originalita&#x0364;t der Hypochondrie und<lb/>
die&#x017F;e wiederum Jhrer kranken Milz zu dan-<lb/>
ken, das bringt mich auf einen Gedanken,<lb/>
der bey Gott! mehr i&#x017F;t als ein flu&#x0364;chtiger<lb/>
Einfall: un&#x017F;ere Originale von aller Gat-<lb/>
tung und Ge&#x017F;chlecht, es &#x017F;eyen Dichter, Den-<lb/>
ker, Ku&#x0364;n&#x017F;tler oder Zu&#x0364;nftler, tragen meiner<lb/>
Meinung nach, den Stoff ihrer Originali-<lb/>
ta&#x0364;t nicht im Kopf, &#x017F;ondern im Eingeweid.<lb/>
Bey Jhnen hat &#x017F;ie ihren Sitz in der Milz,<lb/>
bey einem Andern vielleicht in der Gallen-<lb/>
bla&#x017F;e oder im Me&#x017F;enterium, im Duodenum<lb/>
oder im Blinddarm, be&#x017F;onders wenn ein<lb/>
tu&#x0364;chtiger Wurm&#x017F;tock drein geni&#x017F;tet hat; oder<lb/>
vielleicht i&#x017F;t der Nieren- und Bla&#x017F;en&#x017F;tein der<lb/>
eigentliche Stimmhammer der Seele. So<lb/>
viel weiß ich, daß die Afteroriginalita&#x0364;t der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schrift-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0091] das erſte fluͤchtige Urtheil eines Sehers, oder der unraͤſonnirte Gefuͤhlsblick, leicht fuͤr ein Urgenie nehmen und an Jhnen ei- nen Fehl gebehren koͤnnt. Sie haben Jhre ganze Originalitaͤt der Hypochondrie und dieſe wiederum Jhrer kranken Milz zu dan- ken, das bringt mich auf einen Gedanken, der bey Gott! mehr iſt als ein fluͤchtiger Einfall: unſere Originale von aller Gat- tung und Geſchlecht, es ſeyen Dichter, Den- ker, Kuͤnſtler oder Zuͤnftler, tragen meiner Meinung nach, den Stoff ihrer Originali- taͤt nicht im Kopf, ſondern im Eingeweid. Bey Jhnen hat ſie ihren Sitz in der Milz, bey einem Andern vielleicht in der Gallen- blaſe oder im Meſenterium, im Duodenum oder im Blinddarm, beſonders wenn ein tuͤchtiger Wurmſtock drein geniſtet hat; oder vielleicht iſt der Nieren- und Blaſenſtein der eigentliche Stimmhammer der Seele. So viel weiß ich, daß die Afteroriginalitaͤt der Schrift-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/91
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/91>, abgerufen am 25.11.2024.