wohl bekommen, und wiederum hat einmal einer meiner Bekannten, an einem sehr gu- ten Tag sich lassen die Ader schlagen, wel- ches gleichwohl so übel gerieth, daß ihm das Bein mußt abgenommen werden. Es liegt eigentlich freylich nicht an dem Tage, sondern an ganz andern Umständen, an der Lanzett', dem Schnepper, an der tölpischen und unsichern, oder geschickten Hand des Chirurgus, an der Disposition des Kör- pers, und was weiß ich alles, woran es liegen mag, daß das Aderlassen gedeyh oder nicht. Gleichergestalt liegts auch nicht allein an den Lineamenten, sondern größ- tentheils in ganz andern Dingen, in und außer dem Menschen, daß er gut oder böß sey; denn wo die Adspekten böß sind, kan dennoch das Herz gut seyn, und umgekehrt. Jst mir aus Jhrer Theorie ganz einleuch- tend, daß einer den Schelm im Herzen tra- gen, und dennoch dabey aussehn kan, wie
ein
wohl bekommen, und wiederum hat einmal einer meiner Bekannten, an einem ſehr gu- ten Tag ſich laſſen die Ader ſchlagen, wel- ches gleichwohl ſo uͤbel gerieth, daß ihm das Bein mußt abgenommen werden. Es liegt eigentlich freylich nicht an dem Tage, ſondern an ganz andern Umſtaͤnden, an der Lanzett’, dem Schnepper, an der toͤlpiſchen und unſichern, oder geſchickten Hand des Chirurgus, an der Diſpoſition des Koͤr- pers, und was weiß ich alles, woran es liegen mag, daß das Aderlaſſen gedeyh oder nicht. Gleichergeſtalt liegts auch nicht allein an den Lineamenten, ſondern groͤß- tentheils in ganz andern Dingen, in und außer dem Menſchen, daß er gut oder boͤß ſey; denn wo die Adſpekten boͤß ſind, kan dennoch das Herz gut ſeyn, und umgekehrt. Jſt mir aus Jhrer Theorie ganz einleuch- tend, daß einer den Schelm im Herzen tra- gen, und dennoch dabey ausſehn kan, wie
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wohl bekommen, und wiederum hat einmal
einer meiner Bekannten, an einem ſehr gu-
ten Tag ſich laſſen die Ader ſchlagen, wel-
ches gleichwohl ſo uͤbel gerieth, daß ihm
das Bein mußt abgenommen werden. Es
liegt eigentlich freylich nicht an dem Tage,
ſondern an ganz andern Umſtaͤnden, an der
Lanzett’, dem Schnepper, an der toͤlpiſchen
und unſichern, oder geſchickten Hand des
Chirurgus, an der Diſpoſition des Koͤr-
pers, und was weiß ich alles, woran es
liegen mag, daß das Aderlaſſen gedeyh
oder nicht. Gleichergeſtalt liegts auch nicht
allein an den Lineamenten, ſondern groͤß-
tentheils in ganz andern Dingen, in und
außer dem Menſchen, daß er gut oder boͤß
ſey; denn wo die Adſpekten boͤß ſind, kan
dennoch das Herz gut ſeyn, und umgekehrt.
Jſt mir aus Jhrer Theorie ganz einleuch-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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