Beziehung haben. -- Jst goldlautere Wahr- heit, will aber doch cum grano salis ver- standen seyn. Denn wenn zum Exempel die heilige Jnquisition, oder sonst eine, die auch nicht im Geruch der Heiligkeit ist, ei- nem Schriftsteller vierzig Streiche weniger einen zuzählen läßt: so fallen die dem Menschen empfindlicher als dem Autor, und wer die Wahl hat, wird sich lieber als Sskribent geisseln, und mit den glühenden Zangen der Kritik zwicken lassen, als sei- nen Rücken einer mäßigen Bastonade, als Mensch, Preiß geben. Alle litterarische Kalamitäten aber, die den Autor priuatiue betreffen, können bey weitem nicht mit den Piquetparthien einer leichtsinnigen Frau, wodurch das Lebensglück eines oder gar zweyer Menschen vernichtet wird, in Ver- gleichung kommen. Wenn daher die ge- lehrte Eydsgenossenschaft gegen den Zürcher Schweber zu Felde zieht, so mag sie ihm
wohl
Beziehung haben. — Jſt goldlautere Wahr- heit, will aber doch cum grano ſalis ver- ſtanden ſeyn. Denn wenn zum Exempel die heilige Jnquiſition, oder ſonſt eine, die auch nicht im Geruch der Heiligkeit iſt, ei- nem Schriftſteller vierzig Streiche weniger einen zuzaͤhlen laͤßt: ſo fallen die dem Menſchen empfindlicher als dem Autor, und wer die Wahl hat, wird ſich lieber als Sſkribent geiſſeln, und mit den gluͤhenden Zangen der Kritik zwicken laſſen, als ſei- nen Ruͤcken einer maͤßigen Baſtonade, als Menſch, Preiß geben. Alle litterariſche Kalamitaͤten aber, die den Autor priuatiue betreffen, koͤnnen bey weitem nicht mit den Piquetparthien einer leichtſinnigen Frau, wodurch das Lebensgluͤck eines oder gar zweyer Menſchen vernichtet wird, in Ver- gleichung kommen. Wenn daher die ge- lehrte Eydsgenoſſenſchaft gegen den Zuͤrcher Schweber zu Felde zieht, ſo mag ſie ihm
wohl
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Beziehung haben. — Jſt goldlautere Wahr-
heit, will aber doch cum grano ſalis ver-
ſtanden ſeyn. Denn wenn zum Exempel
die heilige Jnquiſition, oder ſonſt eine, die
auch nicht im Geruch der Heiligkeit iſt, ei-
nem Schriftſteller vierzig Streiche weniger
einen zuzaͤhlen laͤßt: ſo fallen die dem
Menſchen empfindlicher als dem Autor,
und wer die Wahl hat, wird ſich lieber als
Sſkribent geiſſeln, und mit den gluͤhenden
Zangen der Kritik zwicken laſſen, als ſei-
nen Ruͤcken einer maͤßigen Baſtonade, als
Menſch, Preiß geben. Alle litterariſche
Kalamitaͤten aber, die den Autor priuatiue
betreffen, koͤnnen bey weitem nicht mit den
Piquetparthien einer leichtſinnigen Frau,
wodurch das Lebensgluͤck eines oder gar
zweyer Menſchen vernichtet wird, in Ver-
gleichung kommen. Wenn daher die ge-
lehrte Eydsgenoſſenſchaft gegen den Zuͤrcher
Schweber zu Felde zieht, ſo mag ſie ihm
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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