thät, und forscht' zugleich nach den fer- nern Schicksalen seiner gewesenen Ehegenos- sin, nach abgebrochenen Friedenstraktaten. Worauf er mir, als wir uns im Freien befanden, folgenden Bescheid gab.
"Mein Herz blieb für die Bitten und Thränen der büsenden Sünderin, ob sie gleich neue Reize dadurch gewann, verschlos- sen, nachdem sie einmal das Glück meines Lebens, durch ihre Verschuldung zerstöhrt hatte. Doch will ich nicht Bürge dafür seyn, daß die Zeit vielleicht mehr, als die Kraft der Ueberredung ausgerichtet hätte. Allein ihr lebhaftes Temperament verstat- tete nicht, diese wohlthätige Wirkung da- von abzuwarten; entweder aus Verdruß und Verzweifelung, oder auch aus Neigung warf sie sich in die Arme ihres Verführers. Jch vernahm in meiner Kustodie die Zei- tung, daß sie der menschenfreundliche Fi- nanzminister, aus angestammter Milde,
unter
thaͤt, und forſcht’ zugleich nach den fer- nern Schickſalen ſeiner geweſenen Ehegenoſ- ſin, nach abgebrochenen Friedenstraktaten. Worauf er mir, als wir uns im Freien befanden, folgenden Beſcheid gab.
„Mein Herz blieb fuͤr die Bitten und Thraͤnen der buͤſenden Suͤnderin, ob ſie gleich neue Reize dadurch gewann, verſchloſ- ſen, nachdem ſie einmal das Gluͤck meines Lebens, durch ihre Verſchuldung zerſtoͤhrt hatte. Doch will ich nicht Buͤrge dafuͤr ſeyn, daß die Zeit vielleicht mehr, als die Kraft der Ueberredung ausgerichtet haͤtte. Allein ihr lebhaftes Temperament verſtat- tete nicht, dieſe wohlthaͤtige Wirkung da- von abzuwarten; entweder aus Verdruß und Verzweifelung, oder auch aus Neigung warf ſie ſich in die Arme ihres Verfuͤhrers. Jch vernahm in meiner Kuſtodie die Zei- tung, daß ſie der menſchenfreundliche Fi- nanzminiſter, aus angeſtammter Milde,
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thaͤt, und forſcht’ zugleich nach den fer-
nern Schickſalen ſeiner geweſenen Ehegenoſ-
ſin, nach abgebrochenen Friedenstraktaten.
Worauf er mir, als wir uns im Freien
befanden, folgenden Beſcheid gab.
„Mein Herz blieb fuͤr die Bitten und
Thraͤnen der buͤſenden Suͤnderin, ob ſie
gleich neue Reize dadurch gewann, verſchloſ-
ſen, nachdem ſie einmal das Gluͤck meines
Lebens, durch ihre Verſchuldung zerſtoͤhrt
hatte. Doch will ich nicht Buͤrge dafuͤr
ſeyn, daß die Zeit vielleicht mehr, als die
Kraft der Ueberredung ausgerichtet haͤtte.
Allein ihr lebhaftes Temperament verſtat-
tete nicht, dieſe wohlthaͤtige Wirkung da-
von abzuwarten; entweder aus Verdruß
und Verzweifelung, oder auch aus Neigung
warf ſie ſich in die Arme ihres Verfuͤhrers.
Jch vernahm in meiner Kuſtodie die Zei-
tung, daß ſie der menſchenfreundliche Fi-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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