da halt ichs so: ich suche mir einen andern Plaz wo mich die Sonne bescheinen kan, das heißt, wenn mir ein Mensch lästig wird such ich's Weite, und das wissen mei- ne Knochen bald zu finden.
"Sie sind mir ein Sonderling als ei- ner unter der Sonn. Bey solchen Gesin- nungen können wir wohl unmöglich lang zusammen stallen. Sie fliehn die Men- schen, wie's scheint, aus Menschenhaß; und ich suche Menschen, zu Beförderung der Menschenliebe. Gleichwohl war der Phi- losoph in der Tonn', den der Schatten ei- nes Menschen irrt', und der, welcher mit der Latern' Menschen suchte, ein und der- selbe Diogenes, nur zu verschiedenen Zei- ten. Und so kan's wohl noch geschehen, daß sich unsere Grundsätz und Gesinnungen auch wieder einen." Schwerlich, war sein' Antwort, dazu sind unsere Erfahrun- gen von den Menschen zu weit auseinander.
Wo
da halt ichs ſo: ich ſuche mir einen andern Plaz wo mich die Sonne beſcheinen kan, das heißt, wenn mir ein Menſch laͤſtig wird ſuch ich’s Weite, und das wiſſen mei- ne Knochen bald zu finden.
„Sie ſind mir ein Sonderling als ei- ner unter der Sonn. Bey ſolchen Geſin- nungen koͤnnen wir wohl unmoͤglich lang zuſammen ſtallen. Sie fliehn die Men- ſchen, wie’s ſcheint, aus Menſchenhaß; und ich ſuche Menſchen, zu Befoͤrderung der Menſchenliebe. Gleichwohl war der Phi- loſoph in der Tonn’, den der Schatten ei- nes Menſchen irrt’, und der, welcher mit der Latern’ Menſchen ſuchte, ein und der- ſelbe Diogenes, nur zu verſchiedenen Zei- ten. Und ſo kan’s wohl noch geſchehen, daß ſich unſere Grundſaͤtz und Geſinnungen auch wieder einen.“ Schwerlich, war ſein’ Antwort, dazu ſind unſere Erfahrun- gen von den Menſchen zu weit auseinander.
Wo
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da halt ichs ſo: ich ſuche mir einen andern
Plaz wo mich die Sonne beſcheinen kan,
das heißt, wenn mir ein Menſch laͤſtig
wird ſuch ich’s Weite, und das wiſſen mei-
ne Knochen bald zu finden.
„Sie ſind mir ein Sonderling als ei-
ner unter der Sonn. Bey ſolchen Geſin-
nungen koͤnnen wir wohl unmoͤglich lang
zuſammen ſtallen. Sie fliehn die Men-
ſchen, wie’s ſcheint, aus Menſchenhaß; und
ich ſuche Menſchen, zu Befoͤrderung der
Menſchenliebe. Gleichwohl war der Phi-
loſoph in der Tonn’, den der Schatten ei-
nes Menſchen irrt’, und der, welcher mit
der Latern’ Menſchen ſuchte, ein und der-
ſelbe Diogenes, nur zu verſchiedenen Zei-
ten. Und ſo kan’s wohl noch geſchehen,
daß ſich unſere Grundſaͤtz und Geſinnungen
auch wieder einen.“ Schwerlich, war
ſein’ Antwort, dazu ſind unſere Erfahrun-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/6>, abgerufen am 16.07.2024.
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