Warnung mitzutheilen. Jch nennte das Kniffgenie, mit den Aeuserlichkeiten des ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch- ler, einen Schalk, einen Geizhals; sprach frey und offenbar: du siehst aus wie ein biedrer rechtschaffener Kerl; bist aber ein Schelm im Herzen. -- Und mir wieder- fuhr pünktlich, was Seher Lichtenberg ge- weissagt hat: diese freymüthige Anrede wur- de iederzeit mit geballter Faust beantwortet. An einem öffentlichen Orte, wo ich von ein paar Glücksrittern vor ungefehr einem Jah- re aufgefordert wurde, ihrer Visage, wie sie sagten, die Nativität zu stellen, sagt ich nach meiner Ueberzeugung: sie hätten bey- de die Physiognomie falscher betrüglicher Spieler, und in dem nämlichen Augenblick befand ich mich unter dem Tische, in einer so mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi- schenkunft des Wirthes, schwerlich iemals wieder auf die Füße gekommen wär. Jch
empfin-
Warnung mitzutheilen. Jch nennte das Kniffgenie, mit den Aeuſerlichkeiten des ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch- ler, einen Schalk, einen Geizhals; ſprach frey und offenbar: du ſiehſt aus wie ein biedrer rechtſchaffener Kerl; biſt aber ein Schelm im Herzen. — Und mir wieder- fuhr puͤnktlich, was Seher Lichtenberg ge- weiſſagt hat: dieſe freymuͤthige Anrede wur- de iederzeit mit geballter Fauſt beantwortet. An einem oͤffentlichen Orte, wo ich von ein paar Gluͤcksrittern vor ungefehr einem Jah- re aufgefordert wurde, ihrer Viſage, wie ſie ſagten, die Nativitaͤt zu ſtellen, ſagt ich nach meiner Ueberzeugung: ſie haͤtten bey- de die Phyſiognomie falſcher betruͤglicher Spieler, und in dem naͤmlichen Augenblick befand ich mich unter dem Tiſche, in einer ſo mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi- ſchenkunft des Wirthes, ſchwerlich iemals wieder auf die Fuͤße gekommen waͤr. Jch
empfin-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0059"n="59"/>
Warnung mitzutheilen. Jch nennte das<lb/>
Kniffgenie, mit den Aeuſerlichkeiten des<lb/>
ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch-<lb/>
ler, einen Schalk, einen Geizhals; ſprach<lb/>
frey und offenbar: du ſiehſt aus wie ein<lb/>
biedrer rechtſchaffener Kerl; biſt aber ein<lb/>
Schelm im Herzen. — Und mir wieder-<lb/>
fuhr puͤnktlich, was Seher Lichtenberg ge-<lb/>
weiſſagt hat: dieſe freymuͤthige Anrede wur-<lb/>
de iederzeit mit geballter Fauſt beantwortet.<lb/>
An einem oͤffentlichen Orte, wo ich von ein<lb/>
paar Gluͤcksrittern vor ungefehr einem Jah-<lb/>
re aufgefordert wurde, ihrer Viſage, wie ſie<lb/>ſagten, die Nativitaͤt zu ſtellen, ſagt ich<lb/>
nach meiner Ueberzeugung: ſie haͤtten bey-<lb/>
de die Phyſiognomie falſcher betruͤglicher<lb/>
Spieler, und in dem naͤmlichen Augenblick<lb/>
befand ich mich unter dem Tiſche, in einer<lb/>ſo mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi-<lb/>ſchenkunft des Wirthes, ſchwerlich iemals<lb/>
wieder auf die Fuͤße gekommen waͤr. Jch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">empfin-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[59/0059]
Warnung mitzutheilen. Jch nennte das
Kniffgenie, mit den Aeuſerlichkeiten des
ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch-
ler, einen Schalk, einen Geizhals; ſprach
frey und offenbar: du ſiehſt aus wie ein
biedrer rechtſchaffener Kerl; biſt aber ein
Schelm im Herzen. — Und mir wieder-
fuhr puͤnktlich, was Seher Lichtenberg ge-
weiſſagt hat: dieſe freymuͤthige Anrede wur-
de iederzeit mit geballter Fauſt beantwortet.
An einem oͤffentlichen Orte, wo ich von ein
paar Gluͤcksrittern vor ungefehr einem Jah-
re aufgefordert wurde, ihrer Viſage, wie ſie
ſagten, die Nativitaͤt zu ſtellen, ſagt ich
nach meiner Ueberzeugung: ſie haͤtten bey-
de die Phyſiognomie falſcher betruͤglicher
Spieler, und in dem naͤmlichen Augenblick
befand ich mich unter dem Tiſche, in einer
ſo mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi-
ſchenkunft des Wirthes, ſchwerlich iemals
wieder auf die Fuͤße gekommen waͤr. Jch
empfin-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/59>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.