vorgeschlagen und bald darauf gewählt. Vor dem Konsistorialfeuer war mir etwas bang: die Wahrheit zu sagen, kümmert' ich mich wenig um die Brodwissenschaft, da es mir nicht am Brode gebrach. Doch alles ging besser als ich vermuthen konnte: ich fand fromme, billigdenkende Männer vor mir, die mich nicht durch verfängliche Fragen scheu machten. Man sagte mir, ich habe mich gut gelößt. Jch sorgte da- für, daß diese laudes meinem Mäcen nicht verborgen blieben: das konnt' ich wohl den- ken, sprach er mit einem trockenen Lächeln, welches Zutrauen in meine Tüchtigkeit mich Wunder nahm, weil ich die Ursache dessel- ben damals nicht begriff. Nun gedacht ich, mit vollen Segeln in den Hafen einzulau- fen, als meine Hoffnung plötzlich scheiterte. Es veroffenbahrte sich, daß der Menschen- freund seine Hand auf eine verborgene Art mit im Spiele gehabt; aber sie doch nicht
so
vorgeſchlagen und bald darauf gewaͤhlt. Vor dem Konſiſtorialfeuer war mir etwas bang: die Wahrheit zu ſagen, kuͤmmert’ ich mich wenig um die Brodwiſſenſchaft, da es mir nicht am Brode gebrach. Doch alles ging beſſer als ich vermuthen konnte: ich fand fromme, billigdenkende Maͤnner vor mir, die mich nicht durch verfaͤngliche Fragen ſcheu machten. Man ſagte mir, ich habe mich gut geloͤßt. Jch ſorgte da- fuͤr, daß dieſe laudes meinem Maͤcen nicht verborgen blieben: das konnt’ ich wohl den- ken, ſprach er mit einem trockenen Laͤcheln, welches Zutrauen in meine Tuͤchtigkeit mich Wunder nahm, weil ich die Urſache deſſel- ben damals nicht begriff. Nun gedacht ich, mit vollen Segeln in den Hafen einzulau- fen, als meine Hoffnung ploͤtzlich ſcheiterte. Es veroffenbahrte ſich, daß der Menſchen- freund ſeine Hand auf eine verborgene Art mit im Spiele gehabt; aber ſie doch nicht
ſo
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[20/0020]
vorgeſchlagen und bald darauf gewaͤhlt.
Vor dem Konſiſtorialfeuer war mir etwas
bang: die Wahrheit zu ſagen, kuͤmmert’
ich mich wenig um die Brodwiſſenſchaft,
da es mir nicht am Brode gebrach. Doch
alles ging beſſer als ich vermuthen konnte:
ich fand fromme, billigdenkende Maͤnner
vor mir, die mich nicht durch verfaͤngliche
Fragen ſcheu machten. Man ſagte mir,
ich habe mich gut geloͤßt. Jch ſorgte da-
fuͤr, daß dieſe laudes meinem Maͤcen nicht
verborgen blieben: das konnt’ ich wohl den-
ken, ſprach er mit einem trockenen Laͤcheln,
welches Zutrauen in meine Tuͤchtigkeit mich
Wunder nahm, weil ich die Urſache deſſel-
ben damals nicht begriff. Nun gedacht ich,
mit vollen Segeln in den Hafen einzulau-
fen, als meine Hoffnung ploͤtzlich ſcheiterte.
Es veroffenbahrte ſich, daß der Menſchen-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/20>, abgerufen am 17.07.2024.
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