der Leztere keine, der Erste desto größere Gerechtsame. Denn was auch Lavater lehrt, daß die Physiognomie den Stand des Menschen veroffenbare, und zum Exem- pel ein Fürst, auf den ersten Anblick von allen übrigen Menschen unterscheidbar sey: so versteht sich das, wenn der Fürst mit den Jnsignien ausgerüstet ist, womit ihn der Schneider beliehen hat. Denn ausserdem wärs nicht möglich, daß die Götter dieser Erde die Freuden des Jncognito schmecken könnten, die dem Vater Zevs in der alten Welt so manchen Spaß machten, welchen ihm Götterembarras und Etiquette ausser- dem versagten. Die Physiognomie des Kleides, der Schnitt desselben und die Ver- brämung, hat sicherlich mehr Einfluß in die Urtheile der Physiognomisten von unbekann- ten Personen, als die Züge des Gesichts, von der Gränzlinie der Stirn biß zur Hals- krause herab, und oft muß die Paraphrase
des
der Leztere keine, der Erſte deſto groͤßere Gerechtſame. Denn was auch Lavater lehrt, daß die Phyſiognomie den Stand des Menſchen veroffenbare, und zum Exem- pel ein Fuͤrſt, auf den erſten Anblick von allen uͤbrigen Menſchen unterſcheidbar ſey: ſo verſteht ſich das, wenn der Fuͤrſt mit den Jnſignien ausgeruͤſtet iſt, womit ihn der Schneider beliehen hat. Denn auſſerdem waͤrs nicht moͤglich, daß die Goͤtter dieſer Erde die Freuden des Jncognito ſchmecken koͤnnten, die dem Vater Zevs in der alten Welt ſo manchen Spaß machten, welchen ihm Goͤtterembarras und Etiquette auſſer- dem verſagten. Die Phyſiognomie des Kleides, der Schnitt deſſelben und die Ver- braͤmung, hat ſicherlich mehr Einfluß in die Urtheile der Phyſiognomiſten von unbekann- ten Perſonen, als die Zuͤge des Geſichts, von der Graͤnzlinie der Stirn biß zur Hals- krauſe herab, und oft muß die Paraphraſe
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der Leztere keine, der Erſte deſto groͤßere
Gerechtſame. Denn was auch Lavater
lehrt, daß die Phyſiognomie den Stand
des Menſchen veroffenbare, und zum Exem-
pel ein Fuͤrſt, auf den erſten Anblick von
allen uͤbrigen Menſchen unterſcheidbar ſey:
ſo verſteht ſich das, wenn der Fuͤrſt mit den
Jnſignien ausgeruͤſtet iſt, womit ihn der
Schneider beliehen hat. Denn auſſerdem
waͤrs nicht moͤglich, daß die Goͤtter dieſer
Erde die Freuden des Jncognito ſchmecken
koͤnnten, die dem Vater Zevs in der alten
Welt ſo manchen Spaß machten, welchen
ihm Goͤtterembarras und Etiquette auſſer-
dem verſagten. Die Phyſiognomie des
Kleides, der Schnitt deſſelben und die Ver-
braͤmung, hat ſicherlich mehr Einfluß in die
Urtheile der Phyſiognomiſten von unbekann-
ten Perſonen, als die Zuͤge des Geſichts,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/173>, abgerufen am 16.07.2024.
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