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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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die Gesichtsspähung, nur als Surrogat für
die Bedürfnisse der Langeweile betrachtet,
mehr Einfluß auf Sitten und Denkungsart
der Europäer habe, sie indüstriöser, fröm-
mer, rechtschaffener mache, als alle Mo-
ralsystemen die aus den Herzen frommer
Zeloten, oder dem politischen Gehirn der
entschlafenen Lojolisten hervorgegangen sind:
so müßts', dächt ich, iedem Widersprecher
in die Augen leuchten, daß es eine grund-
falsche Behauptung sey, Eichen pflanzen sey
besser als physiognomisiren. Vielmehr bin
ich der festen Meinung, daß Eichen pflan-
zen, in Karten spielen, und Physiognomisi-
ren einander vollkommen die Wage halte.
Denn diese dreyerley Geschäfte haben einer-
ley Nutzen und Absicht, in der Näh und in
der Fern'. Der in der Näh ist zwar nur
eine Nullität: Spiel und Zeitkürzung; der
in der Fern' aber eine große Realität:
Mastbäum, Orlogsschiff', im Winter war-

me

die Geſichtsſpaͤhung, nur als Surrogat fuͤr
die Beduͤrfniſſe der Langeweile betrachtet,
mehr Einfluß auf Sitten und Denkungsart
der Europaͤer habe, ſie induͤſtrioͤſer, froͤm-
mer, rechtſchaffener mache, als alle Mo-
ralſyſtemen die aus den Herzen frommer
Zeloten, oder dem politiſchen Gehirn der
entſchlafenen Lojoliſten hervorgegangen ſind:
ſo muͤßts’, daͤcht ich, iedem Widerſprecher
in die Augen leuchten, daß es eine grund-
falſche Behauptung ſey, Eichen pflanzen ſey
beſſer als phyſiognomiſiren. Vielmehr bin
ich der feſten Meinung, daß Eichen pflan-
zen, in Karten ſpielen, und Phyſiognomiſi-
ren einander vollkommen die Wage halte.
Denn dieſe dreyerley Geſchaͤfte haben einer-
ley Nutzen und Abſicht, in der Naͤh und in
der Fern’. Der in der Naͤh iſt zwar nur
eine Nullitaͤt: Spiel und Zeitkuͤrzung; der
in der Fern’ aber eine große Realitaͤt:
Maſtbaͤum, Orlogsſchiff’, im Winter war-

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[123/0123] die Geſichtsſpaͤhung, nur als Surrogat fuͤr die Beduͤrfniſſe der Langeweile betrachtet, mehr Einfluß auf Sitten und Denkungsart der Europaͤer habe, ſie induͤſtrioͤſer, froͤm- mer, rechtſchaffener mache, als alle Mo- ralſyſtemen die aus den Herzen frommer Zeloten, oder dem politiſchen Gehirn der entſchlafenen Lojoliſten hervorgegangen ſind: ſo muͤßts’, daͤcht ich, iedem Widerſprecher in die Augen leuchten, daß es eine grund- falſche Behauptung ſey, Eichen pflanzen ſey beſſer als phyſiognomiſiren. Vielmehr bin ich der feſten Meinung, daß Eichen pflan- zen, in Karten ſpielen, und Phyſiognomiſi- ren einander vollkommen die Wage halte. Denn dieſe dreyerley Geſchaͤfte haben einer- ley Nutzen und Abſicht, in der Naͤh und in der Fern’. Der in der Naͤh iſt zwar nur eine Nullitaͤt: Spiel und Zeitkuͤrzung; der in der Fern’ aber eine große Realitaͤt: Maſtbaͤum, Orlogsſchiff’, im Winter war- me

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/123>, abgerufen am 28.11.2024.