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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Kind Sintenis, bey seinen Menschenfreu-
den. Auch war er ein frommer Mann,
obs ihm gleich nie einfiel, seine Religions-
gefühle durch den Wunsch zu beleben, daß
er möchte Jesum gesehen haben; oder we-
nigstens seine Silhouette besitzen.

Verzeihn Sie mir einen Einfall, sprach
ich, wenn der selge Vater ein wolfischer
Philosoph und dabey ein frommer Christ
war, so hätt ich wissen mögen, wie der
große Kußtheorist, der sich unlängst so
dreust in den Tag hinein vermaß, in einem
dunkeln Gemach den heiligen Kuß der Liebe
von dem Kuß eines wolfischen Philosophen
unfehlbar zu unterscheiden, den Kuß ihres
Vaters würd iudicirt haben? Jch fürcht',
an diesem Kuß würd seine ganze Theorie
gescheitert seyn. -- Aber diese Parenthese
soll Jhre Erzählung nicht unterbrechen.

Unvermerkt, fuhr er fort, sog ich als Kna-
be die väterliche Denkungsart ein, wie der

Schwamm

Kind Sintenis, bey ſeinen Menſchenfreu-
den. Auch war er ein frommer Mann,
obs ihm gleich nie einfiel, ſeine Religions-
gefuͤhle durch den Wunſch zu beleben, daß
er moͤchte Jeſum geſehen haben; oder we-
nigſtens ſeine Silhouette beſitzen.

Verzeihn Sie mir einen Einfall, ſprach
ich, wenn der ſelge Vater ein wolfiſcher
Philoſoph und dabey ein frommer Chriſt
war, ſo haͤtt ich wiſſen moͤgen, wie der
große Kußtheoriſt, der ſich unlaͤngſt ſo
dreuſt in den Tag hinein vermaß, in einem
dunkeln Gemach den heiligen Kuß der Liebe
von dem Kuß eines wolfiſchen Philoſophen
unfehlbar zu unterſcheiden, den Kuß ihres
Vaters wuͤrd iudicirt haben? Jch fuͤrcht’,
an dieſem Kuß wuͤrd ſeine ganze Theorie
geſcheitert ſeyn. — Aber dieſe Parentheſe
ſoll Jhre Erzaͤhlung nicht unterbrechen.

Unvermerkt, fuhr er fort, ſog ich als Kna-
be die vaͤterliche Denkungsart ein, wie der

Schwamm
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[12/0012] Kind Sintenis, bey ſeinen Menſchenfreu- den. Auch war er ein frommer Mann, obs ihm gleich nie einfiel, ſeine Religions- gefuͤhle durch den Wunſch zu beleben, daß er moͤchte Jeſum geſehen haben; oder we- nigſtens ſeine Silhouette beſitzen. Verzeihn Sie mir einen Einfall, ſprach ich, wenn der ſelge Vater ein wolfiſcher Philoſoph und dabey ein frommer Chriſt war, ſo haͤtt ich wiſſen moͤgen, wie der große Kußtheoriſt, der ſich unlaͤngſt ſo dreuſt in den Tag hinein vermaß, in einem dunkeln Gemach den heiligen Kuß der Liebe von dem Kuß eines wolfiſchen Philoſophen unfehlbar zu unterſcheiden, den Kuß ihres Vaters wuͤrd iudicirt haben? Jch fuͤrcht’, an dieſem Kuß wuͤrd ſeine ganze Theorie geſcheitert ſeyn. — Aber dieſe Parentheſe ſoll Jhre Erzaͤhlung nicht unterbrechen. Unvermerkt, fuhr er fort, ſog ich als Kna- be die vaͤterliche Denkungsart ein, wie der Schwamm

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/12>, abgerufen am 24.11.2024.