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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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ihre eignen Gesichtszüge mit denen von die-
ser weiblichen Engelschaar vergleichen, und
die schmeichelhaftesten Dinge für sich zu er-
laubter Gemüthsvergnügung daraus folgern
sollte; denn die weibliche Eitelkeit kützelt
sich doch mit nichts lieber als der Jdee, ei-
ner vortheilhaftern Gesichtsbildung vor An-
dern ihres Gleichen. Und da darf meiner
Meinung nach, die Mutter Natur die weib-
lichen Reize nicht eben an die Beschauerin
verschwendet haben, damit sie zu dieser
selbstgefälligen Ueberzeugung gelange: die
Künstler samt und sonders haben dafür ge-
sorgt, daß Keine durch ein auffallend reizen-
des Konterfay in den Fragmenten, insge-
heim gedemüthiget werden, oder auch da-
durch ein Funke in den Zunder der Begier-
den eines forschenden Jünglings fallen mö-
ge. Wiewohl ich dadurch keinem der Ori-
ginale zu nahe treten will; sondern vielmehr
glaube, wie sie unbezweifelt das auch thun

werden,
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ihre eignen Geſichtszuͤge mit denen von die-
ſer weiblichen Engelſchaar vergleichen, und
die ſchmeichelhafteſten Dinge fuͤr ſich zu er-
laubter Gemuͤthsvergnuͤgung daraus folgern
ſollte; denn die weibliche Eitelkeit kuͤtzelt
ſich doch mit nichts lieber als der Jdee, ei-
ner vortheilhaftern Geſichtsbildung vor An-
dern ihres Gleichen. Und da darf meiner
Meinung nach, die Mutter Natur die weib-
lichen Reize nicht eben an die Beſchauerin
verſchwendet haben, damit ſie zu dieſer
ſelbſtgefaͤlligen Ueberzeugung gelange: die
Kuͤnſtler ſamt und ſonders haben dafuͤr ge-
ſorgt, daß Keine durch ein auffallend reizen-
des Konterfay in den Fragmenten, insge-
heim gedemuͤthiget werden, oder auch da-
durch ein Funke in den Zunder der Begier-
den eines forſchenden Juͤnglings fallen moͤ-
ge. Wiewohl ich dadurch keinem der Ori-
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[119/0119] ihre eignen Geſichtszuͤge mit denen von die- ſer weiblichen Engelſchaar vergleichen, und die ſchmeichelhafteſten Dinge fuͤr ſich zu er- laubter Gemuͤthsvergnuͤgung daraus folgern ſollte; denn die weibliche Eitelkeit kuͤtzelt ſich doch mit nichts lieber als der Jdee, ei- ner vortheilhaftern Geſichtsbildung vor An- dern ihres Gleichen. Und da darf meiner Meinung nach, die Mutter Natur die weib- lichen Reize nicht eben an die Beſchauerin verſchwendet haben, damit ſie zu dieſer ſelbſtgefaͤlligen Ueberzeugung gelange: die Kuͤnſtler ſamt und ſonders haben dafuͤr ge- ſorgt, daß Keine durch ein auffallend reizen- des Konterfay in den Fragmenten, insge- heim gedemuͤthiget werden, oder auch da- durch ein Funke in den Zunder der Begier- den eines forſchenden Juͤnglings fallen moͤ- ge. Wiewohl ich dadurch keinem der Ori- ginale zu nahe treten will; ſondern vielmehr glaube, wie ſie unbezweifelt das auch thun werden, H 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/119>, abgerufen am 28.11.2024.