Dichter? Jn der That, da ist wohl Klop- stocks Geist so wenig sichtbar, als es der Geist des großen Ludwigs war, der am Tage Flotten ausrüstete, Schlachten ge- wann, große Plans dachte, und das Schicksal von Europa entschied, wenn er des Abends einer Favoritin im Arm lag, oder bey ihrer Entbindung aßistirte, und seine Hoheit so weit vergaß, daß er dem Geburthshelfer zu trinken einschenkte."
Halt der Herr ein mit seiner Red', sie beginnt einen Zufluß zu gewinnen wie ein Strohm, der sich über's Ufer erhebt und's Blachfeld weit umher überschwemmt. Jch vermerk' wohl, daß wir in unsern Grund- sätzen weiter aus einander sind als Zenith und Nadir, wird keiner den andern bekeh- ren oder von seiner Meynung überzeugen. Jezt hör der Herr mich an, will ihm Be- scheid geben, weils doch einmal am Tage liegt, daß ich den Nachtwächter der gelehr-
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Dichter? Jn der That, da iſt wohl Klop- ſtocks Geiſt ſo wenig ſichtbar, als es der Geiſt des großen Ludwigs war, der am Tage Flotten ausruͤſtete, Schlachten ge- wann, große Plans dachte, und das Schickſal von Europa entſchied, wenn er des Abends einer Favoritin im Arm lag, oder bey ihrer Entbindung aßiſtirte, und ſeine Hoheit ſo weit vergaß, daß er dem Geburthshelfer zu trinken einſchenkte.„
Halt der Herr ein mit ſeiner Red’, ſie beginnt einen Zufluß zu gewinnen wie ein Strohm, der ſich uͤber’s Ufer erhebt und’s Blachfeld weit umher uͤberſchwemmt. Jch vermerk’ wohl, daß wir in unſern Grund- ſaͤtzen weiter aus einander ſind als Zenith und Nadir, wird keiner den andern bekeh- ren oder von ſeiner Meynung uͤberzeugen. Jezt hoͤr der Herr mich an, will ihm Be- ſcheid geben, weils doch einmal am Tage liegt, daß ich den Nachtwaͤchter der gelehr-
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Dichter? Jn der That, da iſt wohl Klop-
ſtocks Geiſt ſo wenig ſichtbar, als es der
Geiſt des großen Ludwigs war, der am
Tage Flotten ausruͤſtete, Schlachten ge-
wann, große Plans dachte, und das
Schickſal von Europa entſchied, wenn er
des Abends einer Favoritin im Arm lag,
oder bey ihrer Entbindung aßiſtirte, und
ſeine Hoheit ſo weit vergaß, daß er dem
Geburthshelfer zu trinken einſchenkte.„
Halt der Herr ein mit ſeiner Red’, ſie
beginnt einen Zufluß zu gewinnen wie ein
Strohm, der ſich uͤber’s Ufer erhebt und’s
Blachfeld weit umher uͤberſchwemmt. Jch
vermerk’ wohl, daß wir in unſern Grund-
ſaͤtzen weiter aus einander ſind als Zenith
und Nadir, wird keiner den andern bekeh-
ren oder von ſeiner Meynung uͤberzeugen.
Jezt hoͤr der Herr mich an, will ihm Be-
ſcheid geben, weils doch einmal am Tage
liegt, daß ich den Nachtwaͤchter der gelehr-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/70>, abgerufen am 05.02.2025.
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