Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Meisterwerk mir Unsterblichkeit errungen,
du Pygmeenvolk da unter mir, blick auf
und schau wie ich den Lorbeer- und Eichen-
kranz schüttel, der um meine Schläf' weht.

"Kennen Sie den Dichter von Person
für welchen Sie mich ansahen?"

Nein, hab ihn nie mit Augen gesehn;
aber das thut nichts zur Sach', ich kenn
ihn gnug aus seinem Meisterwerk -- --

"Was ist das?"

Die Messiade, die Oden, das Bardiet,
die Sinngedichte und die Parabel.

"Viel Ehre! Sie sahen mich also für
Klopstock an? Es haben mir mehr Leute
gesagt, daß ich ihm gleichen soll; aber Sie
sehen wohl: der Schein betrügt."

Herr es ist nicht bloßer Schein, ich be-
sitz das Kunstgeheimniß, gleich auf den er-
sten Anblick jeden, der mir aufstößt, für
das anzusprechen, was er ist; er sey ein
Fürst, ein Arzt, ein Officier, ein Rechts-

ge-
E

Meiſterwerk mir Unſterblichkeit errungen,
du Pygmeenvolk da unter mir, blick auf
und ſchau wie ich den Lorbeer- und Eichen-
kranz ſchuͤttel, der um meine Schlaͤf’ weht.

„Kennen Sie den Dichter von Perſon
fuͤr welchen Sie mich anſahen?„

Nein, hab ihn nie mit Augen geſehn;
aber das thut nichts zur Sach’, ich kenn
ihn gnug aus ſeinem Meiſterwerk — —

„Was iſt das?„

Die Meſſiade, die Oden, das Bardiet,
die Sinngedichte und die Parabel.

„Viel Ehre! Sie ſahen mich alſo fuͤr
Klopſtock an? Es haben mir mehr Leute
geſagt, daß ich ihm gleichen ſoll; aber Sie
ſehen wohl: der Schein betruͤgt.„

Herr es iſt nicht bloßer Schein, ich be-
ſitz das Kunſtgeheimniß, gleich auf den er-
ſten Anblick jeden, der mir aufſtoͤßt, fuͤr
das anzuſprechen, was er iſt; er ſey ein
Fuͤrſt, ein Arzt, ein Officier, ein Rechts-

ge-
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="65"/>
Mei&#x017F;terwerk mir Un&#x017F;terblichkeit errungen,<lb/>
du Pygmeenvolk da unter mir, blick auf<lb/>
und &#x017F;chau wie ich den Lorbeer- und Eichen-<lb/>
kranz &#x017F;chu&#x0364;ttel, der um meine Schla&#x0364;f&#x2019; weht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kennen Sie den Dichter von Per&#x017F;on<lb/>
fu&#x0364;r welchen Sie mich an&#x017F;ahen?&#x201E;</p><lb/>
        <p>Nein, hab ihn nie mit Augen ge&#x017F;ehn;<lb/>
aber das thut nichts zur Sach&#x2019;, ich kenn<lb/>
ihn gnug aus &#x017F;einem Mei&#x017F;terwerk &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was i&#x017F;t das?&#x201E;</p><lb/>
        <p>Die Me&#x017F;&#x017F;iade, die Oden, das Bardiet,<lb/>
die Sinngedichte und die Parabel.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Viel Ehre! Sie &#x017F;ahen mich al&#x017F;o fu&#x0364;r<lb/>
Klop&#x017F;tock an? Es haben mir mehr Leute<lb/>
ge&#x017F;agt, daß ich ihm gleichen &#x017F;oll; aber Sie<lb/>
&#x017F;ehen wohl: der Schein betru&#x0364;gt.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Herr es i&#x017F;t nicht bloßer Schein, ich be-<lb/>
&#x017F;itz das Kun&#x017F;tgeheimniß, gleich auf den er-<lb/>
&#x017F;ten Anblick jeden, der mir auf&#x017F;to&#x0364;ßt, fu&#x0364;r<lb/>
das anzu&#x017F;prechen, was er i&#x017F;t; er &#x017F;ey ein<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t, ein Arzt, ein Officier, ein Rechts-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0065] Meiſterwerk mir Unſterblichkeit errungen, du Pygmeenvolk da unter mir, blick auf und ſchau wie ich den Lorbeer- und Eichen- kranz ſchuͤttel, der um meine Schlaͤf’ weht. „Kennen Sie den Dichter von Perſon fuͤr welchen Sie mich anſahen?„ Nein, hab ihn nie mit Augen geſehn; aber das thut nichts zur Sach’, ich kenn ihn gnug aus ſeinem Meiſterwerk — — „Was iſt das?„ Die Meſſiade, die Oden, das Bardiet, die Sinngedichte und die Parabel. „Viel Ehre! Sie ſahen mich alſo fuͤr Klopſtock an? Es haben mir mehr Leute geſagt, daß ich ihm gleichen ſoll; aber Sie ſehen wohl: der Schein betruͤgt.„ Herr es iſt nicht bloßer Schein, ich be- ſitz das Kunſtgeheimniß, gleich auf den er- ſten Anblick jeden, der mir aufſtoͤßt, fuͤr das anzuſprechen, was er iſt; er ſey ein Fuͤrſt, ein Arzt, ein Officier, ein Rechts- ge- E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/65
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/65>, abgerufen am 24.11.2024.