ter seine Abkonterfeyung für sein Gesicht erkannt? Behaupten sie nicht alle, der Grabstichel oder der Pinsel des Künstlers hab ihre Züg verfehlt? Hat Bause selbst bekannt, bey einer Suite von Dichterköpfen müssen sich Mengs, Meil und Er um ihre Künstlerreputation arbeiten, da halt' kein Zug einen Augenblick still, drum wären auch alle Dichterköpf in der Physiognomik ver- pfuscht, oder nach Lavaters Ausdruck ver- nürnberget. Dahingegen einen Neuton, Leibnitz, Locke, Wolf, oder irgend einen der abgelebten oder noch lebenden Philoso- phen mit sprechender Aehnlichkeit in Erz zu graben, nur Spielwerk und Feyerabends- arbeit sey; da steh jeder Zug stet und fest, und halte still wie ein Lamm. Auch mache Voltär hier keine Ausnahme, denn alle ihm gleichenden Abbildungen seyen nur des Phi- losophen, keine des Sängers der Henriade oder der Pucelle. Daraus legt sich, denk
ich,
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ter ſeine Abkonterfeyung fuͤr ſein Geſicht erkannt? Behaupten ſie nicht alle, der Grabſtichel oder der Pinſel des Kuͤnſtlers hab ihre Zuͤg verfehlt? Hat Bauſe ſelbſt bekannt, bey einer Suite von Dichterkoͤpfen muͤſſen ſich Mengs, Meil und Er um ihre Kuͤnſtlerreputation arbeiten, da halt’ kein Zug einen Augenblick ſtill, drum waͤren auch alle Dichterkoͤpf in der Phyſiognomik ver- pfuſcht, oder nach Lavaters Ausdruck ver- nuͤrnberget. Dahingegen einen Neuton, Leibnitz, Locke, Wolf, oder irgend einen der abgelebten oder noch lebenden Philoſo- phen mit ſprechender Aehnlichkeit in Erz zu graben, nur Spielwerk und Feyerabends- arbeit ſey; da ſteh jeder Zug ſtet und feſt, und halte ſtill wie ein Lamm. Auch mache Voltaͤr hier keine Ausnahme, denn alle ihm gleichenden Abbildungen ſeyen nur des Phi- loſophen, keine des Saͤngers der Henriade oder der Pucelle. Daraus legt ſich, denk
ich,
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ter ſeine Abkonterfeyung fuͤr ſein Geſicht
erkannt? Behaupten ſie nicht alle, der
Grabſtichel oder der Pinſel des Kuͤnſtlers
hab ihre Zuͤg verfehlt? Hat Bauſe ſelbſt
bekannt, bey einer Suite von Dichterkoͤpfen
muͤſſen ſich Mengs, Meil und Er um ihre
Kuͤnſtlerreputation arbeiten, da halt’ kein
Zug einen Augenblick ſtill, drum waͤren auch
alle Dichterkoͤpf in der Phyſiognomik ver-
pfuſcht, oder nach Lavaters Ausdruck ver-
nuͤrnberget. Dahingegen einen Neuton,
Leibnitz, Locke, Wolf, oder irgend einen
der abgelebten oder noch lebenden Philoſo-
phen mit ſprechender Aehnlichkeit in Erz zu
graben, nur Spielwerk und Feyerabends-
arbeit ſey; da ſteh jeder Zug ſtet und feſt,
und halte ſtill wie ein Lamm. Auch mache
Voltaͤr hier keine Ausnahme, denn alle ihm
gleichenden Abbildungen ſeyen nur des Phi-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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