wollten. Jch sezt mich, meiner Gewohn- heit nach, in einen Winkel, den Hut tief ins Gesicht gedruckt, mit ineinander ge- schlungenen Armen, und glostert ganz in mich gekehrt, wie's der rechten Physiogno- misten Art ist, unter der Krempe hervor, daß ein Kunstgenoß, wenn er gegenwärtig gewesen wär, an mir den Gestalten still in sich trinkenden Seher würde bemerkt haben. Denn ich bin der festen Meynung, daß ein Physiognomist den andern auf den ersten Anblick eben so gewiß und unfehlbar zu ent- decken vermögend sey, als ein Bruder Mau- rer den andern. Bald vermuth ich gar, daß physiognomische Kunst eins von den Ordensgeheimnissen sey; wie wärs sonst möglich, daß ein Maurer, wenn's ihm nicht der Gefühlsblick sagt', einen unbe- kannten Bruder, den er nie mit Augen ge- sehen, ausspähen könnt, ohne daß ein Drit- ter jemals errathen hat, wie das zugeh?
Jch
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wollten. Jch ſezt mich, meiner Gewohn- heit nach, in einen Winkel, den Hut tief ins Geſicht gedruckt, mit ineinander ge- ſchlungenen Armen, und gloſtert ganz in mich gekehrt, wie’s der rechten Phyſiogno- miſten Art iſt, unter der Krempe hervor, daß ein Kunſtgenoß, wenn er gegenwaͤrtig geweſen waͤr, an mir den Geſtalten ſtill in ſich trinkenden Seher wuͤrde bemerkt haben. Denn ich bin der feſten Meynung, daß ein Phyſiognomiſt den andern auf den erſten Anblick eben ſo gewiß und unfehlbar zu ent- decken vermoͤgend ſey, als ein Bruder Mau- rer den andern. Bald vermuth ich gar, daß phyſiognomiſche Kunſt eins von den Ordensgeheimniſſen ſey; wie waͤrs ſonſt moͤglich, daß ein Maurer, wenn’s ihm nicht der Gefuͤhlsblick ſagt’, einen unbe- kannten Bruder, den er nie mit Augen ge- ſehen, ausſpaͤhen koͤnnt, ohne daß ein Drit- ter jemals errathen hat, wie das zugeh?
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wollten. Jch ſezt mich, meiner Gewohn-
heit nach, in einen Winkel, den Hut tief
ins Geſicht gedruckt, mit ineinander ge-
ſchlungenen Armen, und gloſtert ganz in
mich gekehrt, wie’s der rechten Phyſiogno-
miſten Art iſt, unter der Krempe hervor,
daß ein Kunſtgenoß, wenn er gegenwaͤrtig
geweſen waͤr, an mir den Geſtalten ſtill in
ſich trinkenden Seher wuͤrde bemerkt haben.
Denn ich bin der feſten Meynung, daß ein
Phyſiognomiſt den andern auf den erſten
Anblick eben ſo gewiß und unfehlbar zu ent-
decken vermoͤgend ſey, als ein Bruder Mau-
rer den andern. Bald vermuth ich gar,
daß phyſiognomiſche Kunſt eins von den
Ordensgeheimniſſen ſey; wie waͤrs ſonſt
moͤglich, daß ein Maurer, wenn’s ihm
nicht der Gefuͤhlsblick ſagt’, einen unbe-
kannten Bruder, den er nie mit Augen ge-
ſehen, ausſpaͤhen koͤnnt, ohne daß ein Drit-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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