Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

del angetreten hab, thaten mir so wenig
Gnüge, daß ich sie flugs gegen ein Man-
del Lerchen würd vertauscht haben, wenn
ich freye Macht und Gewalt über sie ge-
habt hätt', wie über mein Hausvieh. Hatte
sich jeder seine eigne Kapp' zugeschnitten,
wie sie ihm seiner Meynung nach am besten
zu Gesicht stund. Der eine als Bänkelsän-
ger, ließ Balladen, Romanzen und Kriegs-
lieder von der Drehscheibe laufen; ein an-
drer schrieb Satyren bey schlimmen Wet-
ter, oder lag fürs Contingent zur Mode-
lektür auf Werbung; wieder einer war ein
Volksliedler oder kompilirte aus alten Ka-
lendern Vademekumsgeschichtgen, oder
schnitt ein neues Bund Fidibus zurechte.
Bey einem braußt' Dithyramben und Oden
Bombast mit Sturm und Drang von oben
heraus, ein andrer ließ seinen poetischen
Mißwachs gemächlich unter sich gehen.
Der meynte, die Thalia buhle mit ihm

und

del angetreten hab, thaten mir ſo wenig
Gnuͤge, daß ich ſie flugs gegen ein Man-
del Lerchen wuͤrd vertauſcht haben, wenn
ich freye Macht und Gewalt uͤber ſie ge-
habt haͤtt’, wie uͤber mein Hausvieh. Hatte
ſich jeder ſeine eigne Kapp’ zugeſchnitten,
wie ſie ihm ſeiner Meynung nach am beſten
zu Geſicht ſtund. Der eine als Baͤnkelſaͤn-
ger, ließ Balladen, Romanzen und Kriegs-
lieder von der Drehſcheibe laufen; ein an-
drer ſchrieb Satyren bey ſchlimmen Wet-
ter, oder lag fuͤrs Contingent zur Mode-
lektuͤr auf Werbung; wieder einer war ein
Volksliedler oder kompilirte aus alten Ka-
lendern Vademekumsgeſchichtgen, oder
ſchnitt ein neues Bund Fidibus zurechte.
Bey einem braußt’ Dithyramben und Oden
Bombaſt mit Sturm und Drang von oben
heraus, ein andrer ließ ſeinen poetiſchen
Mißwachs gemaͤchlich unter ſich gehen.
Der meynte, die Thalia buhle mit ihm

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="40"/>
del angetreten hab, thaten mir &#x017F;o wenig<lb/>
Gnu&#x0364;ge, daß ich &#x017F;ie flugs gegen ein Man-<lb/>
del Lerchen wu&#x0364;rd vertau&#x017F;cht haben, wenn<lb/>
ich freye Macht und Gewalt u&#x0364;ber &#x017F;ie ge-<lb/>
habt ha&#x0364;tt&#x2019;, wie u&#x0364;ber mein Hausvieh. Hatte<lb/>
&#x017F;ich jeder &#x017F;eine eigne Kapp&#x2019; zuge&#x017F;chnitten,<lb/>
wie &#x017F;ie ihm &#x017F;einer Meynung nach am be&#x017F;ten<lb/>
zu Ge&#x017F;icht &#x017F;tund. Der eine als Ba&#x0364;nkel&#x017F;a&#x0364;n-<lb/>
ger, ließ Balladen, Romanzen und Kriegs-<lb/>
lieder von der Dreh&#x017F;cheibe laufen; ein an-<lb/>
drer &#x017F;chrieb Satyren bey &#x017F;chlimmen Wet-<lb/>
ter, oder lag fu&#x0364;rs Contingent zur Mode-<lb/>
lektu&#x0364;r auf Werbung; wieder einer war ein<lb/>
Volksliedler oder kompilirte aus alten Ka-<lb/>
lendern Vademekumsge&#x017F;chichtgen, oder<lb/>
&#x017F;chnitt ein neues Bund Fidibus zurechte.<lb/>
Bey einem braußt&#x2019; Dithyramben und Oden<lb/>
Bomba&#x017F;t mit Sturm und Drang von oben<lb/>
heraus, ein andrer ließ &#x017F;einen poeti&#x017F;chen<lb/>
Mißwachs gema&#x0364;chlich unter &#x017F;ich gehen.<lb/>
Der meynte, die Thalia buhle mit ihm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0040] del angetreten hab, thaten mir ſo wenig Gnuͤge, daß ich ſie flugs gegen ein Man- del Lerchen wuͤrd vertauſcht haben, wenn ich freye Macht und Gewalt uͤber ſie ge- habt haͤtt’, wie uͤber mein Hausvieh. Hatte ſich jeder ſeine eigne Kapp’ zugeſchnitten, wie ſie ihm ſeiner Meynung nach am beſten zu Geſicht ſtund. Der eine als Baͤnkelſaͤn- ger, ließ Balladen, Romanzen und Kriegs- lieder von der Drehſcheibe laufen; ein an- drer ſchrieb Satyren bey ſchlimmen Wet- ter, oder lag fuͤrs Contingent zur Mode- lektuͤr auf Werbung; wieder einer war ein Volksliedler oder kompilirte aus alten Ka- lendern Vademekumsgeſchichtgen, oder ſchnitt ein neues Bund Fidibus zurechte. Bey einem braußt’ Dithyramben und Oden Bombaſt mit Sturm und Drang von oben heraus, ein andrer ließ ſeinen poetiſchen Mißwachs gemaͤchlich unter ſich gehen. Der meynte, die Thalia buhle mit ihm und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/40
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/40>, abgerufen am 21.11.2024.