Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und auf morgen wünsche wohl zu le-
ben."

Die rohe Offenherzigkeit des Gesellen, ob
sie mir gleich aufsiel, war mir doch nicht
zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf,
pflegt die Subrusticität gemeiniglich vom
Geniewesen beschwängert zu seyn, davon
ich meiner Meynung nach während der Un-
terredung mit dem physiognomischen Fünd-
ling, hie und da einen Funken hatt' auf-
sprühen sehen. Ueberdies hatt' ich weder
seine paradoxa noch seine Person so ap-
profondirt, wie ich wünscht', deshalb ge-
genredet' ich also: nein Herr, so ists nicht
gemeynt, wir haben noch viel mit einander
abzumachen eh' wir uns scheiden. Der
Herr muß mir seine Erfahrungen zum be-
sten geben, damit ich belehrt werd', wie
physiognomisch Studium Menschenhaß ge-
bähren könn'.

"Der
P 2

„Und auf morgen wuͤnſche wohl zu le-
ben.„

Die rohe Offenherzigkeit des Geſellen, ob
ſie mir gleich aufſiel, war mir doch nicht
zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf,
pflegt die Subruſticitaͤt gemeiniglich vom
Genieweſen beſchwaͤngert zu ſeyn, davon
ich meiner Meynung nach waͤhrend der Un-
terredung mit dem phyſiognomiſchen Fuͤnd-
ling, hie und da einen Funken hatt’ auf-
ſpruͤhen ſehen. Ueberdies hatt’ ich weder
ſeine παραδοξα noch ſeine Perſon ſo ap-
profondirt, wie ich wuͤnſcht’, deshalb ge-
genredet’ ich alſo: nein Herr, ſo iſts nicht
gemeynt, wir haben noch viel mit einander
abzumachen eh’ wir uns ſcheiden. Der
Herr muß mir ſeine Erfahrungen zum be-
ſten geben, damit ich belehrt werd’, wie
phyſiognomiſch Studium Menſchenhaß ge-
baͤhren koͤnn’.

„Der
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0227" n="227"/>
        <p>&#x201E;Und auf morgen wu&#x0364;n&#x017F;che wohl zu le-<lb/>
ben.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Die rohe Offenherzigkeit des Ge&#x017F;ellen, ob<lb/>
&#x017F;ie mir gleich auf&#x017F;iel, war mir doch nicht<lb/>
zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf,<lb/>
pflegt die Subru&#x017F;ticita&#x0364;t gemeiniglich vom<lb/>
Geniewe&#x017F;en be&#x017F;chwa&#x0364;ngert zu &#x017F;eyn, davon<lb/>
ich meiner Meynung nach wa&#x0364;hrend der Un-<lb/>
terredung mit dem phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Fu&#x0364;nd-<lb/>
ling, hie und da einen Funken hatt&#x2019; auf-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;hen &#x017F;ehen. Ueberdies hatt&#x2019; ich weder<lb/>
&#x017F;eine &#x03C0;&#x03B1;&#x03C1;&#x03B1;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BE;&#x03B1; noch &#x017F;eine Per&#x017F;on &#x017F;o ap-<lb/>
profondirt, wie ich wu&#x0364;n&#x017F;cht&#x2019;, deshalb ge-<lb/>
genredet&#x2019; ich al&#x017F;o: nein Herr, &#x017F;o i&#x017F;ts nicht<lb/>
gemeynt, wir haben noch viel mit einander<lb/>
abzumachen eh&#x2019; wir uns &#x017F;cheiden. Der<lb/>
Herr muß mir &#x017F;eine Erfahrungen zum be-<lb/>
&#x017F;ten geben, damit ich belehrt werd&#x2019;, wie<lb/>
phy&#x017F;iognomi&#x017F;ch Studium Men&#x017F;chenhaß ge-<lb/>
ba&#x0364;hren ko&#x0364;nn&#x2019;.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">P 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Der</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0227] „Und auf morgen wuͤnſche wohl zu le- ben.„ Die rohe Offenherzigkeit des Geſellen, ob ſie mir gleich aufſiel, war mir doch nicht zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf, pflegt die Subruſticitaͤt gemeiniglich vom Genieweſen beſchwaͤngert zu ſeyn, davon ich meiner Meynung nach waͤhrend der Un- terredung mit dem phyſiognomiſchen Fuͤnd- ling, hie und da einen Funken hatt’ auf- ſpruͤhen ſehen. Ueberdies hatt’ ich weder ſeine παραδοξα noch ſeine Perſon ſo ap- profondirt, wie ich wuͤnſcht’, deshalb ge- genredet’ ich alſo: nein Herr, ſo iſts nicht gemeynt, wir haben noch viel mit einander abzumachen eh’ wir uns ſcheiden. Der Herr muß mir ſeine Erfahrungen zum be- ſten geben, damit ich belehrt werd’, wie phyſiognomiſch Studium Menſchenhaß ge- baͤhren koͤnn’. „Der P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/227
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/227>, abgerufen am 25.11.2024.