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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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innern Gehalt auf die Probe; traut seinem
Auge dennoch nicht, sondern überfährt den
Strich mit dem Aezwasser der unbefange-
nen Vernunft und Erfahrung. Nun sieht
er erst was er hat, und befindet sich im
Stande, den wahren Gehalt nach Mark
und Loth zu bestimmen."

Herr wir verirren uns in die Bilder-
sprach', die sonst recht mein Element ist;
aber jezt fürcht' ich, sie dürft' mich über-
täuben, da ich will belehrt seyn. Sag mir
der Herr das all' mit dem Probierstein noch
einmal, mit klaren dürren Worten ohne
Bild und Gleichniß, daß ichs rein schmecken
kann, wie einen Trunk Quellwasser.

"Auch das! Jch behaupte, daß die Phy-
siognomen, die sich bey Ausübung ihrer
Kunst aufs Gefühl, das ist, auf das pfeil-
geschwinde Urtheil ihrer Seele verlassen,
welches die ersten Eindrücke wirken, die eine
Gesichtsform auf ihr Gemüth' macht, im-

mer

innern Gehalt auf die Probe; traut ſeinem
Auge dennoch nicht, ſondern uͤberfaͤhrt den
Strich mit dem Aezwaſſer der unbefange-
nen Vernunft und Erfahrung. Nun ſieht
er erſt was er hat, und befindet ſich im
Stande, den wahren Gehalt nach Mark
und Loth zu beſtimmen.„

Herr wir verirren uns in die Bilder-
ſprach’, die ſonſt recht mein Element iſt;
aber jezt fuͤrcht’ ich, ſie duͤrft’ mich uͤber-
taͤuben, da ich will belehrt ſeyn. Sag mir
der Herr das all’ mit dem Probierſtein noch
einmal, mit klaren duͤrren Worten ohne
Bild und Gleichniß, daß ichs rein ſchmecken
kann, wie einen Trunk Quellwaſſer.

„Auch das! Jch behaupte, daß die Phy-
ſiognomen, die ſich bey Ausuͤbung ihrer
Kunſt aufs Gefuͤhl, das iſt, auf das pfeil-
geſchwinde Urtheil ihrer Seele verlaſſen,
welches die erſten Eindruͤcke wirken, die eine
Geſichtsform auf ihr Gemuͤth’ macht, im-

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[208/0208] innern Gehalt auf die Probe; traut ſeinem Auge dennoch nicht, ſondern uͤberfaͤhrt den Strich mit dem Aezwaſſer der unbefange- nen Vernunft und Erfahrung. Nun ſieht er erſt was er hat, und befindet ſich im Stande, den wahren Gehalt nach Mark und Loth zu beſtimmen.„ Herr wir verirren uns in die Bilder- ſprach’, die ſonſt recht mein Element iſt; aber jezt fuͤrcht’ ich, ſie duͤrft’ mich uͤber- taͤuben, da ich will belehrt ſeyn. Sag mir der Herr das all’ mit dem Probierſtein noch einmal, mit klaren duͤrren Worten ohne Bild und Gleichniß, daß ichs rein ſchmecken kann, wie einen Trunk Quellwaſſer. „Auch das! Jch behaupte, daß die Phy- ſiognomen, die ſich bey Ausuͤbung ihrer Kunſt aufs Gefuͤhl, das iſt, auf das pfeil- geſchwinde Urtheil ihrer Seele verlaſſen, welches die erſten Eindruͤcke wirken, die eine Geſichtsform auf ihr Gemuͤth’ macht, im- mer

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/208>, abgerufen am 25.11.2024.