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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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belohnten Liebe, die angenehme Reverie
aufgewogen hätten, in die mich die Flucht
der Sophie am ersten Tage meiner Reise
versenkte. Kurz, ich habs an mir selbst er-
fahren, daß Seelenpoeterey, Reverie, Em-
pfindsamkeit, süße Schwärmerey, oder wie
man sonst die Aeusserungen lebhafter Her-
zensgefühle nennen mag, das herrlichste
Ding von der Welt sind, wenn man sich
satt gegessen hat, oder doch eben keinen
Hunger fühlt; neben einen leeren Magen
aber können sie in einem Leibe so wenig koexi-
stiren, als zwey ganz heterogene Gesichter
in einem Zimmer.

Die zweyte Bemerkung, die mir gele-
gentlich aufstieß, betraf eine Erfahrung,
die mir nützlich und heilsam war. Jch
wurd' innen, daß die Harpune, die die
Reize der Sophie auf mich geschleudert hat-
ten, mit ihren eisernen Widerhacken tief in
Fleisch und Blut eingegriffen hatte, und

es

belohnten Liebe, die angenehme Réverie
aufgewogen haͤtten, in die mich die Flucht
der Sophie am erſten Tage meiner Reiſe
verſenkte. Kurz, ich habs an mir ſelbſt er-
fahren, daß Seelenpoeterey, Réverie, Em-
pfindſamkeit, ſuͤße Schwaͤrmerey, oder wie
man ſonſt die Aeuſſerungen lebhafter Her-
zensgefuͤhle nennen mag, das herrlichſte
Ding von der Welt ſind, wenn man ſich
ſatt gegeſſen hat, oder doch eben keinen
Hunger fuͤhlt; neben einen leeren Magen
aber koͤnnen ſie in einem Leibe ſo wenig koexi-
ſtiren, als zwey ganz heterogene Geſichter
in einem Zimmer.

Die zweyte Bemerkung, die mir gele-
gentlich aufſtieß, betraf eine Erfahrung,
die mir nuͤtzlich und heilſam war. Jch
wurd’ innen, daß die Harpune, die die
Reize der Sophie auf mich geſchleudert hat-
ten, mit ihren eiſernen Widerhacken tief in
Fleiſch und Blut eingegriffen hatte, und

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[20/0020] belohnten Liebe, die angenehme Réverie aufgewogen haͤtten, in die mich die Flucht der Sophie am erſten Tage meiner Reiſe verſenkte. Kurz, ich habs an mir ſelbſt er- fahren, daß Seelenpoeterey, Réverie, Em- pfindſamkeit, ſuͤße Schwaͤrmerey, oder wie man ſonſt die Aeuſſerungen lebhafter Her- zensgefuͤhle nennen mag, das herrlichſte Ding von der Welt ſind, wenn man ſich ſatt gegeſſen hat, oder doch eben keinen Hunger fuͤhlt; neben einen leeren Magen aber koͤnnen ſie in einem Leibe ſo wenig koexi- ſtiren, als zwey ganz heterogene Geſichter in einem Zimmer. Die zweyte Bemerkung, die mir gele- gentlich aufſtieß, betraf eine Erfahrung, die mir nuͤtzlich und heilſam war. Jch wurd’ innen, daß die Harpune, die die Reize der Sophie auf mich geſchleudert hat- ten, mit ihren eiſernen Widerhacken tief in Fleiſch und Blut eingegriffen hatte, und es

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/20>, abgerufen am 21.11.2024.