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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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in ein keusches Nonnenkloster sich einschleicht;
oder eine Narrenkapp' sich auf den Teppich
eines Throns pflanzt. Bey diesen Aus-
nahmen ist's schwer, den Fürsten, Kriegs-
mann, Arzt, Dichter, Denker, Seher
heraus zu finden. Vielmehr begegnet's da
wol, daß der Physiognomist den Schach
für den Narren, den Richter für den Dieb,
und eine Vestalin für eine Buhldirn' an-
spricht. Durch dieß Erpediens gelang's
besser, als mit einem Glaß Krystallenwas-
ser, die aufgebrachten Lebensgeister der Da-
me wieder zu besänftigen; doch wurd' die
physiognomische Uebungsstund' sogleich ge-
schlossen, und den ganzen Tag diese ver-
stimmte Saite, die einmal einen Mißlaut
von sich gegeben, nicht wieder berührt. Jch
übernachtet' in dieser klösterlichen Burg, wo
übrigens alle Gesetze des Gastrechts nach
Klostergebrauch, gegen irrende Ritter und
Pilger freygebig geübt wurden, und zog

mit

in ein keuſches Nonnenkloſter ſich einſchleicht;
oder eine Narrenkapp’ ſich auf den Teppich
eines Throns pflanzt. Bey dieſen Aus-
nahmen iſt’s ſchwer, den Fuͤrſten, Kriegs-
mann, Arzt, Dichter, Denker, Seher
heraus zu finden. Vielmehr begegnet’s da
wol, daß der Phyſiognomiſt den Schach
fuͤr den Narren, den Richter fuͤr den Dieb,
und eine Veſtalin fuͤr eine Buhldirn’ an-
ſpricht. Durch dieß Erpediens gelang’s
beſſer, als mit einem Glaß Kryſtallenwaſ-
ſer, die aufgebrachten Lebensgeiſter der Da-
me wieder zu beſaͤnftigen; doch wurd’ die
phyſiognomiſche Uebungsſtund’ ſogleich ge-
ſchloſſen, und den ganzen Tag dieſe ver-
ſtimmte Saite, die einmal einen Mißlaut
von ſich gegeben, nicht wieder beruͤhrt. Jch
uͤbernachtet’ in dieſer kloͤſterlichen Burg, wo
uͤbrigens alle Geſetze des Gaſtrechts nach
Kloſtergebrauch, gegen irrende Ritter und
Pilger freygebig geuͤbt wurden, und zog

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[171/0171] in ein keuſches Nonnenkloſter ſich einſchleicht; oder eine Narrenkapp’ ſich auf den Teppich eines Throns pflanzt. Bey dieſen Aus- nahmen iſt’s ſchwer, den Fuͤrſten, Kriegs- mann, Arzt, Dichter, Denker, Seher heraus zu finden. Vielmehr begegnet’s da wol, daß der Phyſiognomiſt den Schach fuͤr den Narren, den Richter fuͤr den Dieb, und eine Veſtalin fuͤr eine Buhldirn’ an- ſpricht. Durch dieß Erpediens gelang’s beſſer, als mit einem Glaß Kryſtallenwaſ- ſer, die aufgebrachten Lebensgeiſter der Da- me wieder zu beſaͤnftigen; doch wurd’ die phyſiognomiſche Uebungsſtund’ ſogleich ge- ſchloſſen, und den ganzen Tag dieſe ver- ſtimmte Saite, die einmal einen Mißlaut von ſich gegeben, nicht wieder beruͤhrt. Jch uͤbernachtet’ in dieſer kloͤſterlichen Burg, wo uͤbrigens alle Geſetze des Gaſtrechts nach Kloſtergebrauch, gegen irrende Ritter und Pilger freygebig geuͤbt wurden, und zog mit

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/171>, abgerufen am 24.11.2024.