Scharfblick daran zu versuchen, und wie an einem Wetzstein zu schärfen.
Ey, erwiedert' die Dame, noch immer etwas aufgebracht, ich begehre nicht meinen Witz an einen Stocknarren zu wetzen. Jch sage Jhnen, daß L. sehr unrecht gethan hat, seine Leser, die Unterricht suchen, auf eine solche Art zu täuschen und ihrer gleichsam zu spotten. Nun deployirte sie noch eine volle Lage von Vorwürfen und Verweisen gegen den lieben Mann, und ich hielts ei- ner gesunden Politik gemäß, zum Schein auch einmal mit unter zu plänkern, dacht's könn ihm das wenig verschlagen, es sey da- mit so böß nicht gemeynt, und mir bring's gleichwol Vortheil ein. Aber bald wacht' bey mir das Gewissen auf, und ich konnt mir's nicht verzeihen, daß ich den Rücken meines Freundes Preiß gegeben hatt', um den meinigen sicher zu stellen. Denn im Grunde hatt' ich gegen meine Ueberzeugung
geredet,
L 5
Scharfblick daran zu verſuchen, und wie an einem Wetzſtein zu ſchaͤrfen.
Ey, erwiedert’ die Dame, noch immer etwas aufgebracht, ich begehre nicht meinen Witz an einen Stocknarren zu wetzen. Jch ſage Jhnen, daß L. ſehr unrecht gethan hat, ſeine Leſer, die Unterricht ſuchen, auf eine ſolche Art zu taͤuſchen und ihrer gleichſam zu ſpotten. Nun deployirte ſie noch eine volle Lage von Vorwuͤrfen und Verweiſen gegen den lieben Mann, und ich hielts ei- ner geſunden Politik gemaͤß, zum Schein auch einmal mit unter zu plaͤnkern, dacht’s koͤnn ihm das wenig verſchlagen, es ſey da- mit ſo boͤß nicht gemeynt, und mir bring’s gleichwol Vortheil ein. Aber bald wacht’ bey mir das Gewiſſen auf, und ich konnt mir’s nicht verzeihen, daß ich den Ruͤcken meines Freundes Preiß gegeben hatt’, um den meinigen ſicher zu ſtellen. Denn im Grunde hatt’ ich gegen meine Ueberzeugung
geredet,
L 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0169"n="169"/>
Scharfblick daran zu verſuchen, und wie<lb/>
an einem Wetzſtein zu ſchaͤrfen.</p><lb/><p>Ey, erwiedert’ die Dame, noch immer<lb/>
etwas aufgebracht, ich begehre nicht meinen<lb/>
Witz an einen Stocknarren zu wetzen. Jch<lb/>ſage Jhnen, daß L. ſehr unrecht gethan hat,<lb/>ſeine Leſer, die Unterricht ſuchen, auf eine<lb/>ſolche Art zu taͤuſchen und ihrer gleichſam<lb/>
zu ſpotten. Nun deployirte ſie noch eine<lb/>
volle Lage von Vorwuͤrfen und Verweiſen<lb/>
gegen den lieben Mann, und ich hielts ei-<lb/>
ner geſunden Politik gemaͤß, zum Schein<lb/>
auch einmal mit unter zu plaͤnkern, dacht’s<lb/>
koͤnn ihm das wenig verſchlagen, es ſey da-<lb/>
mit ſo boͤß nicht gemeynt, und mir bring’s<lb/>
gleichwol Vortheil ein. Aber bald wacht’<lb/>
bey mir das Gewiſſen auf, und ich konnt<lb/>
mir’s nicht verzeihen, daß ich den Ruͤcken<lb/>
meines Freundes Preiß gegeben hatt’, um<lb/>
den meinigen ſicher zu ſtellen. Denn im<lb/>
Grunde hatt’ ich gegen meine Ueberzeugung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">geredet,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[169/0169]
Scharfblick daran zu verſuchen, und wie
an einem Wetzſtein zu ſchaͤrfen.
Ey, erwiedert’ die Dame, noch immer
etwas aufgebracht, ich begehre nicht meinen
Witz an einen Stocknarren zu wetzen. Jch
ſage Jhnen, daß L. ſehr unrecht gethan hat,
ſeine Leſer, die Unterricht ſuchen, auf eine
ſolche Art zu taͤuſchen und ihrer gleichſam
zu ſpotten. Nun deployirte ſie noch eine
volle Lage von Vorwuͤrfen und Verweiſen
gegen den lieben Mann, und ich hielts ei-
ner geſunden Politik gemaͤß, zum Schein
auch einmal mit unter zu plaͤnkern, dacht’s
koͤnn ihm das wenig verſchlagen, es ſey da-
mit ſo boͤß nicht gemeynt, und mir bring’s
gleichwol Vortheil ein. Aber bald wacht’
bey mir das Gewiſſen auf, und ich konnt
mir’s nicht verzeihen, daß ich den Ruͤcken
meines Freundes Preiß gegeben hatt’, um
den meinigen ſicher zu ſtellen. Denn im
Grunde hatt’ ich gegen meine Ueberzeugung
geredet,
L 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/169>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.