Clima. Begegnet mir ein Bauersmann unweit einer Ortschaft, den frug ich: Lands- mann wie hoch ist's hier zu Land' am Tage, nach eurer Uhr im Dorf'? Herr, antwor- tet derselb' wir haben keine Uhr im Dorf'; aber nach der Bratenuhr der Gutsherrschaft ist's eben Mittag, denn die Rebhüner sind braun. Jch konnt' einem gewissen gehei- men Trieb', der sich doch leicht erklären ließ, nicht wilderstehen hier einzusprechen, erfuhr, daß eine tugendsame Wittib benebst einigen Kostfräulein den Edelhof bewohn, nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen, und mich bey den Damen a la Bunkel zu introduciren. Besann mich auf einen der Weidesprüch' dieses Weibersponsirers, mei- nen ungebetenen Eintritt zu entschuldigen, und fuhr nicht übel dabey.
Die Frau vom Hauß', eine feine wohl- gestalte Dame, in ihren besten Jahren, der nichts abging, als hie und da ein Zahn,
empfing
Clima. Begegnet mir ein Bauersmann unweit einer Ortſchaft, den frug ich: Lands- mann wie hoch iſt’s hier zu Land’ am Tage, nach eurer Uhr im Dorf’? Herr, antwor- tet derſelb’ wir haben keine Uhr im Dorf’; aber nach der Bratenuhr der Gutsherrſchaft iſt’s eben Mittag, denn die Rebhuͤner ſind braun. Jch konnt’ einem gewiſſen gehei- men Trieb’, der ſich doch leicht erklaͤren ließ, nicht wilderſtehen hier einzuſprechen, erfuhr, daß eine tugendſame Wittib benebſt einigen Koſtfraͤulein den Edelhof bewohn, nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen, und mich bey den Damen à la Bunkel zu introduciren. Beſann mich auf einen der Weideſpruͤch’ dieſes Weiberſponſirers, mei- nen ungebetenen Eintritt zu entſchuldigen, und fuhr nicht uͤbel dabey.
Die Frau vom Hauß’, eine feine wohl- geſtalte Dame, in ihren beſten Jahren, der nichts abging, als hie und da ein Zahn,
empfing
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Clima. Begegnet mir ein Bauersmann
unweit einer Ortſchaft, den frug ich: Lands-
mann wie hoch iſt’s hier zu Land’ am Tage,
nach eurer Uhr im Dorf’? Herr, antwor-
tet derſelb’ wir haben keine Uhr im Dorf’;
aber nach der Bratenuhr der Gutsherrſchaft
iſt’s eben Mittag, denn die Rebhuͤner ſind
braun. Jch konnt’ einem gewiſſen gehei-
men Trieb’, der ſich doch leicht erklaͤren
ließ, nicht wilderſtehen hier einzuſprechen,
erfuhr, daß eine tugendſame Wittib benebſt
einigen Koſtfraͤulein den Edelhof bewohn,
nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen,
und mich bey den Damen à la Bunkel zu
introduciren. Beſann mich auf einen der
Weideſpruͤch’ dieſes Weiberſponſirers, mei-
nen ungebetenen Eintritt zu entſchuldigen,
und fuhr nicht uͤbel dabey.
Die Frau vom Hauß’, eine feine wohl-
geſtalte Dame, in ihren beſten Jahren, der
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/159>, abgerufen am 17.07.2024.
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