sichs nun begab, daß etwan ein weiter Raum Lalagen von mir trennt', gaben wir uns idealische Rendevous im Mond. Wo sich der am Himmel blicken ließ, war ich draussen im Feld, sah unverwandt hinein, und fand unaussprechliche Wonne zu den- ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin- ein schaut', und sonach unsre Gesichtslinien wenigstens in einem Punkt einander berühr- ten. Da machten wir den lieben Mond zu unserm Vertrauten, meynten, er belausch uns auf Gottes weitem Erdboden allein: aber seit der empfindsamen Epoque, da der liebliche Mond ein allgemeiner Tummel- platz der Liebenden worden ist, aller Augen hinein schauen; alle verliebte Seufzer dahin wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus drinn herbergen, ist mir des Lerms dort zu viel, daß er zu einem vertraulichen Tete a tete nimmer taugt. Find deshalb die idealische Entrevüe mit Jhren Lieben, die
nicht
ſichs nun begab, daß etwan ein weiter Raum Lalagen von mir trennt’, gaben wir uns idealiſche Rendevous im Mond. Wo ſich der am Himmel blicken ließ, war ich drauſſen im Feld, ſah unverwandt hinein, und fand unausſprechliche Wonne zu den- ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin- ein ſchaut’, und ſonach unſre Geſichtslinien wenigſtens in einem Punkt einander beruͤhr- ten. Da machten wir den lieben Mond zu unſerm Vertrauten, meynten, er belauſch uns auf Gottes weitem Erdboden allein: aber ſeit der empfindſamen Epoque, da der liebliche Mond ein allgemeiner Tummel- platz der Liebenden worden iſt, aller Augen hinein ſchauen; alle verliebte Seufzer dahin wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus drinn herbergen, iſt mir des Lerms dort zu viel, daß er zu einem vertraulichen Tête à tête nimmer taugt. Find deshalb die idealiſche Entrevuͤe mit Jhren Lieben, die
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0140"n="140"/>ſichs nun begab, daß etwan ein weiter<lb/>
Raum Lalagen von mir trennt’, gaben wir<lb/>
uns idealiſche Rendevous im Mond. Wo<lb/>ſich der am Himmel blicken ließ, war ich<lb/>
drauſſen im Feld, ſah unverwandt hinein,<lb/>
und fand unausſprechliche Wonne zu den-<lb/>
ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin-<lb/>
ein ſchaut’, und ſonach unſre Geſichtslinien<lb/>
wenigſtens in einem Punkt einander beruͤhr-<lb/>
ten. Da machten wir den lieben Mond zu<lb/>
unſerm Vertrauten, meynten, er belauſch<lb/>
uns auf Gottes weitem Erdboden allein:<lb/>
aber ſeit der empfindſamen Epoque, da der<lb/>
liebliche Mond ein allgemeiner Tummel-<lb/>
platz der Liebenden worden iſt, aller Augen<lb/>
hinein ſchauen; alle verliebte Seufzer dahin<lb/>
wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus<lb/>
drinn herbergen, iſt mir des Lerms dort zu<lb/>
viel, daß er zu einem vertraulichen <hirendition="#aq">Tête<lb/>
à tête</hi> nimmer taugt. Find deshalb die<lb/>
idealiſche Entrevuͤe mit Jhren Lieben, die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[140/0140]
ſichs nun begab, daß etwan ein weiter
Raum Lalagen von mir trennt’, gaben wir
uns idealiſche Rendevous im Mond. Wo
ſich der am Himmel blicken ließ, war ich
drauſſen im Feld, ſah unverwandt hinein,
und fand unausſprechliche Wonne zu den-
ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin-
ein ſchaut’, und ſonach unſre Geſichtslinien
wenigſtens in einem Punkt einander beruͤhr-
ten. Da machten wir den lieben Mond zu
unſerm Vertrauten, meynten, er belauſch
uns auf Gottes weitem Erdboden allein:
aber ſeit der empfindſamen Epoque, da der
liebliche Mond ein allgemeiner Tummel-
platz der Liebenden worden iſt, aller Augen
hinein ſchauen; alle verliebte Seufzer dahin
wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus
drinn herbergen, iſt mir des Lerms dort zu
viel, daß er zu einem vertraulichen Tête
à tête nimmer taugt. Find deshalb die
idealiſche Entrevuͤe mit Jhren Lieben, die
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/140>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.