Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

sichs nun begab, daß etwan ein weiter
Raum Lalagen von mir trennt', gaben wir
uns idealische Rendevous im Mond. Wo
sich der am Himmel blicken ließ, war ich
draussen im Feld, sah unverwandt hinein,
und fand unaussprechliche Wonne zu den-
ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin-
ein schaut', und sonach unsre Gesichtslinien
wenigstens in einem Punkt einander berühr-
ten. Da machten wir den lieben Mond zu
unserm Vertrauten, meynten, er belausch
uns auf Gottes weitem Erdboden allein:
aber seit der empfindsamen Epoque, da der
liebliche Mond ein allgemeiner Tummel-
platz der Liebenden worden ist, aller Augen
hinein schauen; alle verliebte Seufzer dahin
wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus
drinn herbergen, ist mir des Lerms dort zu
viel, daß er zu einem vertraulichen Tete
a tete
nimmer taugt. Find deshalb die
idealische Entrevüe mit Jhren Lieben, die

nicht

ſichs nun begab, daß etwan ein weiter
Raum Lalagen von mir trennt’, gaben wir
uns idealiſche Rendevous im Mond. Wo
ſich der am Himmel blicken ließ, war ich
drauſſen im Feld, ſah unverwandt hinein,
und fand unausſprechliche Wonne zu den-
ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin-
ein ſchaut’, und ſonach unſre Geſichtslinien
wenigſtens in einem Punkt einander beruͤhr-
ten. Da machten wir den lieben Mond zu
unſerm Vertrauten, meynten, er belauſch
uns auf Gottes weitem Erdboden allein:
aber ſeit der empfindſamen Epoque, da der
liebliche Mond ein allgemeiner Tummel-
platz der Liebenden worden iſt, aller Augen
hinein ſchauen; alle verliebte Seufzer dahin
wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus
drinn herbergen, iſt mir des Lerms dort zu
viel, daß er zu einem vertraulichen Tête
à tête
nimmer taugt. Find deshalb die
idealiſche Entrevuͤe mit Jhren Lieben, die

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="140"/>
&#x017F;ichs nun begab, daß etwan ein weiter<lb/>
Raum Lalagen von mir trennt&#x2019;, gaben wir<lb/>
uns ideali&#x017F;che Rendevous im Mond. Wo<lb/>
&#x017F;ich der am Himmel blicken ließ, war ich<lb/>
drau&#x017F;&#x017F;en im Feld, &#x017F;ah unverwandt hinein,<lb/>
und fand unaus&#x017F;prechliche Wonne zu den-<lb/>
ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin-<lb/>
ein &#x017F;chaut&#x2019;, und &#x017F;onach un&#x017F;re Ge&#x017F;ichtslinien<lb/>
wenig&#x017F;tens in einem Punkt einander beru&#x0364;hr-<lb/>
ten. Da machten wir den lieben Mond zu<lb/>
un&#x017F;erm Vertrauten, meynten, er belau&#x017F;ch<lb/>
uns auf Gottes weitem Erdboden allein:<lb/>
aber &#x017F;eit der empfind&#x017F;amen Epoque, da der<lb/>
liebliche Mond ein allgemeiner Tummel-<lb/>
platz der Liebenden worden i&#x017F;t, aller Augen<lb/>
hinein &#x017F;chauen; alle verliebte Seufzer dahin<lb/>
wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus<lb/>
drinn herbergen, i&#x017F;t mir des Lerms dort zu<lb/>
viel, daß er zu einem vertraulichen <hi rendition="#aq">Tête<lb/>
à tête</hi> nimmer taugt. Find deshalb die<lb/>
ideali&#x017F;che Entrevu&#x0364;e mit Jhren Lieben, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0140] ſichs nun begab, daß etwan ein weiter Raum Lalagen von mir trennt’, gaben wir uns idealiſche Rendevous im Mond. Wo ſich der am Himmel blicken ließ, war ich drauſſen im Feld, ſah unverwandt hinein, und fand unausſprechliche Wonne zu den- ken, daß mein Liebchen vielleicht auch hin- ein ſchaut’, und ſonach unſre Geſichtslinien wenigſtens in einem Punkt einander beruͤhr- ten. Da machten wir den lieben Mond zu unſerm Vertrauten, meynten, er belauſch uns auf Gottes weitem Erdboden allein: aber ſeit der empfindſamen Epoque, da der liebliche Mond ein allgemeiner Tummel- platz der Liebenden worden iſt, aller Augen hinein ſchauen; alle verliebte Seufzer dahin wallen, und wie in einem offnen Wirthshaus drinn herbergen, iſt mir des Lerms dort zu viel, daß er zu einem vertraulichen Tête à tête nimmer taugt. Find deshalb die idealiſche Entrevuͤe mit Jhren Lieben, die nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/140
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/140>, abgerufen am 22.11.2024.