spiel, und jedes geht an seine Geschäfte. -- Um den Genuß dieser empfindsamen Stunde auch abwesend nicht zu verlieren, hab ich mich mit meiner Gattin vereinigt, uns durch die Einbildungskraft einander zu ver- gegenwärtigen. Jch kann sicher drauf rech- nen, daß zu der verabredeten Zeit die Meinigen nichts anders denken, als mich, ihren Gatten und Vater; von nichts sich unterreden, als von mir; nichts thun, das nicht eine Beziehung auf mich haben sollte; und sie sind eben so gewiß, daß zu der nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei- ner Seele schwebt, als der Gedanke von ihnen. Aus dieser Ursache hab ich von ei- ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die so gut zu meinem Jdeal sich paßt. Jch kann auf Reisen die Schattenbilder meiner Lieben nicht bequemer betrachten, als an meiner Mundtasse; und so wie meine Au- gen unveränderlich in der bestimmten Zeit
dar-
ſpiel, und jedes geht an ſeine Geſchaͤfte. — Um den Genuß dieſer empfindſamen Stunde auch abweſend nicht zu verlieren, hab ich mich mit meiner Gattin vereinigt, uns durch die Einbildungskraft einander zu ver- gegenwaͤrtigen. Jch kann ſicher drauf rech- nen, daß zu der verabredeten Zeit die Meinigen nichts anders denken, als mich, ihren Gatten und Vater; von nichts ſich unterreden, als von mir; nichts thun, das nicht eine Beziehung auf mich haben ſollte; und ſie ſind eben ſo gewiß, daß zu der nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei- ner Seele ſchwebt, als der Gedanke von ihnen. Aus dieſer Urſache hab ich von ei- ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die ſo gut zu meinem Jdeal ſich paßt. Jch kann auf Reiſen die Schattenbilder meiner Lieben nicht bequemer betrachten, als an meiner Mundtaſſe; und ſo wie meine Au- gen unveraͤnderlich in der beſtimmten Zeit
dar-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0138"n="138"/>ſpiel, und jedes geht an ſeine Geſchaͤfte. —<lb/>
Um den Genuß dieſer empfindſamen Stunde<lb/>
auch abweſend nicht zu verlieren, hab ich<lb/>
mich mit meiner Gattin vereinigt, uns<lb/>
durch die Einbildungskraft einander zu ver-<lb/>
gegenwaͤrtigen. Jch kann ſicher drauf rech-<lb/>
nen, daß zu der verabredeten Zeit die<lb/>
Meinigen nichts anders denken, als mich,<lb/>
ihren Gatten und Vater; von nichts ſich<lb/>
unterreden, als von mir; nichts thun, das<lb/>
nicht eine Beziehung auf mich haben ſollte;<lb/>
und ſie ſind eben ſo gewiß, daß zu der<lb/>
nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei-<lb/>
ner Seele ſchwebt, als der Gedanke von<lb/>
ihnen. Aus dieſer Urſache hab ich von ei-<lb/>
ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die<lb/>ſo gut zu meinem Jdeal ſich paßt. Jch<lb/>
kann auf Reiſen die Schattenbilder meiner<lb/>
Lieben nicht bequemer betrachten, als an<lb/>
meiner Mundtaſſe; und ſo wie meine Au-<lb/>
gen unveraͤnderlich in der beſtimmten Zeit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dar-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0138]
ſpiel, und jedes geht an ſeine Geſchaͤfte. —
Um den Genuß dieſer empfindſamen Stunde
auch abweſend nicht zu verlieren, hab ich
mich mit meiner Gattin vereinigt, uns
durch die Einbildungskraft einander zu ver-
gegenwaͤrtigen. Jch kann ſicher drauf rech-
nen, daß zu der verabredeten Zeit die
Meinigen nichts anders denken, als mich,
ihren Gatten und Vater; von nichts ſich
unterreden, als von mir; nichts thun, das
nicht eine Beziehung auf mich haben ſollte;
und ſie ſind eben ſo gewiß, daß zu der
nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei-
ner Seele ſchwebt, als der Gedanke von
ihnen. Aus dieſer Urſache hab ich von ei-
ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die
ſo gut zu meinem Jdeal ſich paßt. Jch
kann auf Reiſen die Schattenbilder meiner
Lieben nicht bequemer betrachten, als an
meiner Mundtaſſe; und ſo wie meine Au-
gen unveraͤnderlich in der beſtimmten Zeit
dar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/138>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.