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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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mich, die heroischen Tugenden und der
Königsmord würden aus einem Ey gebrü-
tet. Durch sie hebt sich die Schnellkraft
des Geistes; alle Fasern des Hirns werden
gespannt wie schlaffe Seil, wenn sie mit
Wasser genetzt werden; sie treibt das Herz-
blut rascher durch die Aorta, sprüht Feuer-
funken aus den Augen; erfüllt die Brust
mit allbelebender Wärme, die ich mit der
Brutkraft vergleiche, welche die Küchlein
im Ey belebt. Ohne die wohlthätige Ein-
wirkung der Schwärmerey, würde die Welt
vier Bänd' physiognomischer Fragmente,
ein physiognomisches Cabinet, ein Lustspiel,
einen Kalendertraktat, und meine Reisen
entbehren müssen, welches in der Reihe
der Wissenschaften kein geringerer Uebelstand
seyn würde, als in einem wohlgereiheten
Gebiß ein fehlender Zahn. Sind deshalb
in meinen Augen die Leut', die auf nichts
peiter als schlichten geraden Menschen-

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mich, die heroiſchen Tugenden und der
Koͤnigsmord wuͤrden aus einem Ey gebruͤ-
tet. Durch ſie hebt ſich die Schnellkraft
des Geiſtes; alle Faſern des Hirns werden
geſpannt wie ſchlaffe Seil, wenn ſie mit
Waſſer genetzt werden; ſie treibt das Herz-
blut raſcher durch die Aorta, ſpruͤht Feuer-
funken aus den Augen; erfuͤllt die Bruſt
mit allbelebender Waͤrme, die ich mit der
Brutkraft vergleiche, welche die Kuͤchlein
im Ey belebt. Ohne die wohlthaͤtige Ein-
wirkung der Schwaͤrmerey, wuͤrde die Welt
vier Baͤnd’ phyſiognomiſcher Fragmente,
ein phyſiognomiſches Cabinet, ein Luſtſpiel,
einen Kalendertraktat, und meine Reiſen
entbehren muͤſſen, welches in der Reihe
der Wiſſenſchaften kein geringerer Uebelſtand
ſeyn wuͤrde, als in einem wohlgereiheten
Gebiß ein fehlender Zahn. Sind deshalb
in meinen Augen die Leut’, die auf nichts
peiter als ſchlichten geraden Menſchen-

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[119/0119] mich, die heroiſchen Tugenden und der Koͤnigsmord wuͤrden aus einem Ey gebruͤ- tet. Durch ſie hebt ſich die Schnellkraft des Geiſtes; alle Faſern des Hirns werden geſpannt wie ſchlaffe Seil, wenn ſie mit Waſſer genetzt werden; ſie treibt das Herz- blut raſcher durch die Aorta, ſpruͤht Feuer- funken aus den Augen; erfuͤllt die Bruſt mit allbelebender Waͤrme, die ich mit der Brutkraft vergleiche, welche die Kuͤchlein im Ey belebt. Ohne die wohlthaͤtige Ein- wirkung der Schwaͤrmerey, wuͤrde die Welt vier Baͤnd’ phyſiognomiſcher Fragmente, ein phyſiognomiſches Cabinet, ein Luſtſpiel, einen Kalendertraktat, und meine Reiſen entbehren muͤſſen, welches in der Reihe der Wiſſenſchaften kein geringerer Uebelſtand ſeyn wuͤrde, als in einem wohlgereiheten Gebiß ein fehlender Zahn. Sind deshalb in meinen Augen die Leut’, die auf nichts peiter als ſchlichten geraden Menſchen- ver- H 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/119>, abgerufen am 22.11.2024.