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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Zweitens, zu einer physiognomischen
Sippschaft gehören nicht eben Personen von
einerley Stande und Geschlechtsnamen.

Drittens, ganz heterogene Gesichtsfor-
men in einer und derselben Familie, lassen
Guckukseyer in dem Neste der Graßmücke
vermuthen.

Viertens, den rothwangigen Läuffer mit
der Physiognomie voll kecker, fester, stol-
zer Sinneskraft des Junkers, und den Jun-
ker mit der vagen, stumpfen Kutscherphysio-
gnomie, voll flacher Gemeinheit, verpflanzt
der Physiognom mentaliter, ieden in sein
natürliches Erdreich, wenn ers gleich äus-
serlich ignorirt.

Andern Theils fiel mir der klare Sinn
der Worte "zu Beförderung der Menschen-
liebe" deutlich in die Augen. Wenn hab
ich, oder wenn hätt' ich meine Gutsunter-
thanen ie mit Bruderliebe umfaßt? Wo
mich nicht eine physiognomische Untersu-
chung überzeugt hätte, daß sie meine Brü-
der und Vettern sind, so wär das Vorur-
theil des Abstandes vom Ritter zum Knecht,
das mit mir herangewachsen und aufgestän-
stängelt war wie wilder Hopfen, nie aus
meinem Hirn auszuwurzeln gewesen.

Cousine!

Zweitens, zu einer phyſiognomiſchen
Sippſchaft gehoͤren nicht eben Perſonen von
einerley Stande und Geſchlechtsnamen.

Drittens, ganz heterogene Geſichtsfor-
men in einer und derſelben Familie, laſſen
Guckukseyer in dem Neſte der Graßmuͤcke
vermuthen.

Viertens, den rothwangigen Laͤuffer mit
der Phyſiognomie voll kecker, feſter, ſtol-
zer Sinneskraft des Junkers, und den Jun-
ker mit der vagen, ſtumpfen Kutſcherphyſio-
gnomie, voll flacher Gemeinheit, verpflanzt
der Phyſiognom mentaliter, ieden in ſein
natuͤrliches Erdreich, wenn ers gleich aͤuſ-
ſerlich ignorirt.

Andern Theils fiel mir der klare Sinn
der Worte „zu Befoͤrderung der Menſchen-
liebe“ deutlich in die Augen. Wenn hab
ich, oder wenn haͤtt’ ich meine Gutsunter-
thanen ie mit Bruderliebe umfaßt? Wo
mich nicht eine phyſiognomiſche Unterſu-
chung uͤberzeugt haͤtte, daß ſie meine Bruͤ-
der und Vettern ſind, ſo waͤr das Vorur-
theil des Abſtandes vom Ritter zum Knecht,
das mit mir herangewachſen und aufgeſtaͤn-
ſtaͤngelt war wie wilder Hopfen, nie aus
meinem Hirn auszuwurzeln geweſen.

Couſine!
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[91/0097] Zweitens, zu einer phyſiognomiſchen Sippſchaft gehoͤren nicht eben Perſonen von einerley Stande und Geſchlechtsnamen. Drittens, ganz heterogene Geſichtsfor- men in einer und derſelben Familie, laſſen Guckukseyer in dem Neſte der Graßmuͤcke vermuthen. Viertens, den rothwangigen Laͤuffer mit der Phyſiognomie voll kecker, feſter, ſtol- zer Sinneskraft des Junkers, und den Jun- ker mit der vagen, ſtumpfen Kutſcherphyſio- gnomie, voll flacher Gemeinheit, verpflanzt der Phyſiognom mentaliter, ieden in ſein natuͤrliches Erdreich, wenn ers gleich aͤuſ- ſerlich ignorirt. Andern Theils fiel mir der klare Sinn der Worte „zu Befoͤrderung der Menſchen- liebe“ deutlich in die Augen. Wenn hab ich, oder wenn haͤtt’ ich meine Gutsunter- thanen ie mit Bruderliebe umfaßt? Wo mich nicht eine phyſiognomiſche Unterſu- chung uͤberzeugt haͤtte, daß ſie meine Bruͤ- der und Vettern ſind, ſo waͤr das Vorur- theil des Abſtandes vom Ritter zum Knecht, das mit mir herangewachſen und aufgeſtaͤn- ſtaͤngelt war wie wilder Hopfen, nie aus meinem Hirn auszuwurzeln geweſen. Couſine!

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/97>, abgerufen am 22.11.2024.