Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.der Hofmeister taugt nicht: was einer auf- Sie lieber Freund, daß ichs frey 'raus chronische
der Hofmeiſter taugt nicht: was einer auf- Sie lieber Freund, daß ichs frey ’raus chroniſche
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0078" n="72"/> der Hofmeiſter taugt nicht: was einer auf-<lb/> baut reißt der audre nieder, und wenns um<lb/> und um kommt ſo laͤufts mit all den Erzie-<lb/> hungsmethoden auf eins ’naus: iſt viel Ge-<lb/> ſchrey bey der Sach’ und wenig Wolle. Der<lb/> herrliche Menſchenſpaͤher Lavater, der ſonſt<lb/> dem Philanthropinweſen nicht abhold iſt,<lb/> ſagt gar recht, daß ſich uͤberhaupt eigentlich<lb/> in den Menſchen nichts hinein bringen laͤßt,<lb/> nur heraus bringen, entwickeln laͤßt ſich,<lb/> was da iſt. Kommt mir die Sach bald ſo<lb/> vor, als wenn einer einen Strang Garn<lb/> entwickeln und in ein Knaͤuel concentriren<lb/> wollt: gilt’s nicht gleich, ob er vom aͤuſſern<lb/> End’ anfaͤngt oder vom innren? Der Faden<lb/> folgt immer allgemach nach, und wird der<lb/> Endzweck erreicht, man mags ſo oder ſo<lb/> anſtellen. Wenn aber einer von hinten und<lb/> der andre von forne abwickelt, giebt’s Ge-<lb/> wirr, und muß der Faden oft abgeriſſen,<lb/> wieder angeknuͤpft oder durchgeſteckt werden,<lb/> welches eitel Berdruß macht.</p><lb/> <p>Sie lieber Freund, daß ichs frey ’raus<lb/> ſag’, ſind auch von der Edukationsſucht nicht<lb/> wenig befallen, wie’s einem zaͤrtlichen Va-<lb/> ter leicht begegnet. Das Uebel iſt bey Jh-<lb/> nen ſchon lang eingewurzelt und in eine<lb/> <fw place="bottom" type="catch">chroniſche</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0078]
der Hofmeiſter taugt nicht: was einer auf-
baut reißt der audre nieder, und wenns um
und um kommt ſo laͤufts mit all den Erzie-
hungsmethoden auf eins ’naus: iſt viel Ge-
ſchrey bey der Sach’ und wenig Wolle. Der
herrliche Menſchenſpaͤher Lavater, der ſonſt
dem Philanthropinweſen nicht abhold iſt,
ſagt gar recht, daß ſich uͤberhaupt eigentlich
in den Menſchen nichts hinein bringen laͤßt,
nur heraus bringen, entwickeln laͤßt ſich,
was da iſt. Kommt mir die Sach bald ſo
vor, als wenn einer einen Strang Garn
entwickeln und in ein Knaͤuel concentriren
wollt: gilt’s nicht gleich, ob er vom aͤuſſern
End’ anfaͤngt oder vom innren? Der Faden
folgt immer allgemach nach, und wird der
Endzweck erreicht, man mags ſo oder ſo
anſtellen. Wenn aber einer von hinten und
der andre von forne abwickelt, giebt’s Ge-
wirr, und muß der Faden oft abgeriſſen,
wieder angeknuͤpft oder durchgeſteckt werden,
welches eitel Berdruß macht.
Sie lieber Freund, daß ichs frey ’raus
ſag’, ſind auch von der Edukationsſucht nicht
wenig befallen, wie’s einem zaͤrtlichen Va-
ter leicht begegnet. Das Uebel iſt bey Jh-
nen ſchon lang eingewurzelt und in eine
chroniſche
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