Mag ein durchtriebner Schalk gewesen seyn, dein Zigeunerhauptmann, der die Leut' betrog?
Phil. Ja Herr, so mein' ichs auch! der betrog ander' Leut, und ihr Herrn betrügt euch selbst, kundschaftet erst euren Mann aus, darnach sezt ihr euch hin vor sein Kon- terfey, und vermeint alles das ihm an der Nasen anzusehn, was hinter ihm ist.
Thust mächtige Kreuzhieb' in die Luft, Philipp, und trifst nicht 's rechte Fleck. Wenn sich der Physiognomist hinsezt, und das Jnnre des Menschen, des Sinn und Geist er zuvor erforscht hat, mit den aus- wendigen Lineamenten vergleicht, und bey- de Stück' einander ähnlich findet: so schreibt er sich diese Aehnlichkeit hinter's Ohr, und wenn ihm hernach ein wildfremder Mensch vorkommt, mit eben der Auserlichkeit, so iudicirt er den flugs von aussen hinein, wie er ienen von innen heraus iudicirt hat. Das heißt physiognomisch Studium, wenn's ei- ner recht macht so trift das zu, wie's Re- chentäflein.
Phil. Da ligts eben Herr! Mach's ei- ner recht wenn's keiner kann! Mit dem von aussen hinein und von innen heraus ists gar
ungewiß
Mag ein durchtriebner Schalk geweſen ſeyn, dein Zigeunerhauptmann, der die Leut’ betrog?
Phil. Ja Herr, ſo mein’ ichs auch! der betrog ander’ Leut, und ihr Herrn betruͤgt euch ſelbſt, kundſchaftet erſt euren Mann aus, darnach ſezt ihr euch hin vor ſein Kon- terfey, und vermeint alles das ihm an der Naſen anzuſehn, was hinter ihm iſt.
Thuſt maͤchtige Kreuzhieb’ in die Luft, Philipp, und trifſt nicht ’s rechte Fleck. Wenn ſich der Phyſiognomiſt hinſezt, und das Jnnre des Menſchen, des Sinn und Geiſt er zuvor erforſcht hat, mit den aus- wendigen Lineamenten vergleicht, und bey- de Stuͤck’ einander aͤhnlich findet: ſo ſchreibt er ſich dieſe Aehnlichkeit hinter’s Ohr, und wenn ihm hernach ein wildfremder Menſch vorkommt, mit eben der Auſerlichkeit, ſo iudicirt er den flugs von auſſen hinein, wie er ienen von innen heraus iudicirt hat. Das heißt phyſiognomiſch Studium, wenn’s ei- ner recht macht ſo trift das zu, wie’s Re- chentaͤflein.
Phil. Da ligts eben Herr! Mach’s ei- ner recht wenn’s keiner kann! Mit dem von auſſen hinein und von innen heraus iſts gar
ungewiß
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Mag ein durchtriebner Schalk geweſen
ſeyn, dein Zigeunerhauptmann, der die
Leut’ betrog?
Phil. Ja Herr, ſo mein’ ichs auch!
der betrog ander’ Leut, und ihr Herrn betruͤgt
euch ſelbſt, kundſchaftet erſt euren Mann
aus, darnach ſezt ihr euch hin vor ſein Kon-
terfey, und vermeint alles das ihm an der
Naſen anzuſehn, was hinter ihm iſt.
Thuſt maͤchtige Kreuzhieb’ in die Luft,
Philipp, und trifſt nicht ’s rechte Fleck.
Wenn ſich der Phyſiognomiſt hinſezt, und
das Jnnre des Menſchen, des Sinn und
Geiſt er zuvor erforſcht hat, mit den aus-
wendigen Lineamenten vergleicht, und bey-
de Stuͤck’ einander aͤhnlich findet: ſo ſchreibt
er ſich dieſe Aehnlichkeit hinter’s Ohr, und
wenn ihm hernach ein wildfremder Menſch
vorkommt, mit eben der Auſerlichkeit, ſo
iudicirt er den flugs von auſſen hinein, wie
er ienen von innen heraus iudicirt hat. Das
heißt phyſiognomiſch Studium, wenn’s ei-
ner recht macht ſo trift das zu, wie’s Re-
chentaͤflein.
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ner recht wenn’s keiner kann! Mit dem von
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/38>, abgerufen am 16.02.2025.
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