Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

ben im Frühiahr, eben wird es iährige Zeit
seyn, zwey Kinder auf einmal; aber seine
Bienenstöcke hatte er glücklich durchgewin-
tert, daß keiner drauf gieng. Jm Som-
mer schwärmten sie alle zweymal: diese
Fruchtbarkeit erwarb ihm einen Preiß von
der Bienengesellschaft, -- Vergessen war
sein Hauskreuz.

Aldermann Wilkes war Buchhändler in
London wie Nicolai in Berlin. Beyder
Lieblingsneigung war Spekulation; iener
machte Jagd auf die politischen Händel sei-
nes Vaterlandes, dieser auf die Litterari-
schen des Seinigen. Beyde wurden Schrift-
steller und wuchsen zu Häuptern mächtiger
Partheyen; lassen sich wechselsweise im
Triumph zur Schau empor tragen und
auch mit faulen Eyern werfen; oder in ef-
sigie
aufhängen und verbrennen, und hal-
ten ihr Märtyrerthum für Gewinn, das
ihnen durch die Erplosion ihres Grundtrie-
bes zu Theile wird.

Wenn Klopstocks und Wielands Geist
gerade nicht mehr umspannt hätte, als was
ihre Bestimmung im bürgerlichen Leben er-
forderte: so würde die Seelenpflege einer
kleinen Heerde in Thüringen auf des einen,

und
B 4

ben im Fruͤhiahr, eben wird es iaͤhrige Zeit
ſeyn, zwey Kinder auf einmal; aber ſeine
Bienenſtoͤcke hatte er gluͤcklich durchgewin-
tert, daß keiner drauf gieng. Jm Som-
mer ſchwaͤrmten ſie alle zweymal: dieſe
Fruchtbarkeit erwarb ihm einen Preiß von
der Bienengeſellſchaft, — Vergeſſen war
ſein Hauskreuz.

Aldermann Wilkes war Buchhaͤndler in
London wie Nicolai in Berlin. Beyder
Lieblingsneigung war Spekulation; iener
machte Jagd auf die politiſchen Haͤndel ſei-
nes Vaterlandes, dieſer auf die Litterari-
ſchen des Seinigen. Beyde wurden Schrift-
ſteller und wuchſen zu Haͤuptern maͤchtiger
Partheyen; laſſen ſich wechſelsweiſe im
Triumph zur Schau empor tragen und
auch mit faulen Eyern werfen; oder in ef-
ſigie
aufhaͤngen und verbrennen, und hal-
ten ihr Maͤrtyrerthum fuͤr Gewinn, das
ihnen durch die Erploſion ihres Grundtrie-
bes zu Theile wird.

Wenn Klopſtocks und Wielands Geiſt
gerade nicht mehr umſpannt haͤtte, als was
ihre Beſtimmung im buͤrgerlichen Leben er-
forderte: ſo wuͤrde die Seelenpflege einer
kleinen Heerde in Thuͤringen auf des einen,

und
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="23"/>
ben im Fru&#x0364;hiahr, eben wird es ia&#x0364;hrige Zeit<lb/>
&#x017F;eyn, zwey Kinder auf einmal; aber &#x017F;eine<lb/>
Bienen&#x017F;to&#x0364;cke hatte er glu&#x0364;cklich durchgewin-<lb/>
tert, daß keiner drauf gieng. Jm Som-<lb/>
mer &#x017F;chwa&#x0364;rmten &#x017F;ie alle zweymal: die&#x017F;e<lb/>
Fruchtbarkeit erwarb ihm einen Preiß von<lb/>
der Bienenge&#x017F;ell&#x017F;chaft, &#x2014; Verge&#x017F;&#x017F;en war<lb/>
&#x017F;ein Hauskreuz.</p><lb/>
          <p>Aldermann Wilkes war Buchha&#x0364;ndler in<lb/>
London wie Nicolai in Berlin. Beyder<lb/>
Lieblingsneigung war Spekulation; iener<lb/>
machte Jagd auf die politi&#x017F;chen Ha&#x0364;ndel &#x017F;ei-<lb/>
nes Vaterlandes, die&#x017F;er auf die Litterari-<lb/>
&#x017F;chen des Seinigen. Beyde wurden Schrift-<lb/>
&#x017F;teller und wuch&#x017F;en zu Ha&#x0364;uptern ma&#x0364;chtiger<lb/>
Partheyen; la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich wech&#x017F;elswei&#x017F;e im<lb/>
Triumph zur Schau empor tragen und<lb/>
auch mit faulen Eyern werfen; oder in <hi rendition="#aq">ef-<lb/>
&#x017F;igie</hi> aufha&#x0364;ngen und verbrennen, und hal-<lb/>
ten ihr Ma&#x0364;rtyrerthum fu&#x0364;r Gewinn, das<lb/>
ihnen durch die Erplo&#x017F;ion ihres Grundtrie-<lb/>
bes zu Theile wird.</p><lb/>
          <p>Wenn Klop&#x017F;tocks und Wielands Gei&#x017F;t<lb/>
gerade nicht mehr um&#x017F;pannt ha&#x0364;tte, als was<lb/>
ihre Be&#x017F;timmung im bu&#x0364;rgerlichen Leben er-<lb/>
forderte: &#x017F;o wu&#x0364;rde die Seelenpflege einer<lb/>
kleinen Heerde in Thu&#x0364;ringen auf des einen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0029] ben im Fruͤhiahr, eben wird es iaͤhrige Zeit ſeyn, zwey Kinder auf einmal; aber ſeine Bienenſtoͤcke hatte er gluͤcklich durchgewin- tert, daß keiner drauf gieng. Jm Som- mer ſchwaͤrmten ſie alle zweymal: dieſe Fruchtbarkeit erwarb ihm einen Preiß von der Bienengeſellſchaft, — Vergeſſen war ſein Hauskreuz. Aldermann Wilkes war Buchhaͤndler in London wie Nicolai in Berlin. Beyder Lieblingsneigung war Spekulation; iener machte Jagd auf die politiſchen Haͤndel ſei- nes Vaterlandes, dieſer auf die Litterari- ſchen des Seinigen. Beyde wurden Schrift- ſteller und wuchſen zu Haͤuptern maͤchtiger Partheyen; laſſen ſich wechſelsweiſe im Triumph zur Schau empor tragen und auch mit faulen Eyern werfen; oder in ef- ſigie aufhaͤngen und verbrennen, und hal- ten ihr Maͤrtyrerthum fuͤr Gewinn, das ihnen durch die Erploſion ihres Grundtrie- bes zu Theile wird. Wenn Klopſtocks und Wielands Geiſt gerade nicht mehr umſpannt haͤtte, als was ihre Beſtimmung im buͤrgerlichen Leben er- forderte: ſo wuͤrde die Seelenpflege einer kleinen Heerde in Thuͤringen auf des einen, und B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/29
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/29>, abgerufen am 22.12.2024.