So ein Lieblinsgewerbe nährt das Leben der Seele, wie äuserlich Beruf und Amt seinen Mann nährt, stärkt und spannt die innern Kräfte, erwärmt und ermuntert sie; gießt Wonuegefühl ins Herz; ist eine sichre Freystatt, wohin sich, wenns von aussen trübe hergeht, die Seele flüchtet, bis der Sturm vorüber braußt.
Mag. Oelgötz mein Gevatter, dem äu- sern Beruf nach Diener am Wort, läuft unter dem Namen eines Naturforschers sei- ner Lieblingsneigung nach, lauret den Mü- cken und Heuschrecken auf, kennt das Un- geziffer so gut wie seine Beichtkinder; hascht Schmetterlinge, und wenn er in seine Sammlung nach den gladbachischen Tabel- len, ein Perlenhühngen, Landkärtgen oder Spatzendreck einrangiren kann, freut er sich so herzlich drüber, als der fleissige Rust über einen anhaltischen Schriftsteller, den er einhascht. Vor dem Jahre beym Bran- de verlohr der gute Mann seine sämtliche fahrende Haabe, Hausgeräthe und Bü- cher, kümmerte sich wenig ums Zeitliche: -- denn seine Jnsektensammlung war gerettet.
Gleich seiu nächster Confrater ist Bie- nenvater als einer im Lande. Dem star-
ben
So ein Lieblinsgewerbe naͤhrt das Leben der Seele, wie aͤuſerlich Beruf und Amt ſeinen Mann naͤhrt, ſtaͤrkt und ſpannt die innern Kraͤfte, erwaͤrmt und ermuntert ſie; gießt Wonuegefuͤhl ins Herz; iſt eine ſichre Freyſtatt, wohin ſich, wenns von auſſen truͤbe hergeht, die Seele fluͤchtet, bis der Sturm voruͤber braußt.
Mag. Oelgoͤtz mein Gevatter, dem aͤu- ſern Beruf nach Diener am Wort, laͤuft unter dem Namen eines Naturforſchers ſei- ner Lieblingsneigung nach, lauret den Muͤ- cken und Heuſchrecken auf, kennt das Un- geziffer ſo gut wie ſeine Beichtkinder; haſcht Schmetterlinge, und wenn er in ſeine Sammlung nach den gladbachiſchen Tabel- len, ein Perlenhuͤhngen, Landkaͤrtgen oder Spatzendreck einrangiren kann, freut er ſich ſo herzlich druͤber, als der fleiſſige Ruſt uͤber einen anhaltiſchen Schriftſteller, den er einhaſcht. Vor dem Jahre beym Bran- de verlohr der gute Mann ſeine ſaͤmtliche fahrende Haabe, Hausgeraͤthe und Buͤ- cher, kuͤmmerte ſich wenig ums Zeitliche: — denn ſeine Jnſektenſammlung war gerettet.
Gleich ſeiu naͤchſter Confrater iſt Bie- nenvater als einer im Lande. Dem ſtar-
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So ein Lieblinsgewerbe naͤhrt das Leben
der Seele, wie aͤuſerlich Beruf und Amt
ſeinen Mann naͤhrt, ſtaͤrkt und ſpannt die
innern Kraͤfte, erwaͤrmt und ermuntert ſie;
gießt Wonuegefuͤhl ins Herz; iſt eine ſichre
Freyſtatt, wohin ſich, wenns von auſſen
truͤbe hergeht, die Seele fluͤchtet, bis der
Sturm voruͤber braußt.
Mag. Oelgoͤtz mein Gevatter, dem aͤu-
ſern Beruf nach Diener am Wort, laͤuft
unter dem Namen eines Naturforſchers ſei-
ner Lieblingsneigung nach, lauret den Muͤ-
cken und Heuſchrecken auf, kennt das Un-
geziffer ſo gut wie ſeine Beichtkinder; haſcht
Schmetterlinge, und wenn er in ſeine
Sammlung nach den gladbachiſchen Tabel-
len, ein Perlenhuͤhngen, Landkaͤrtgen oder
Spatzendreck einrangiren kann, freut er ſich
ſo herzlich druͤber, als der fleiſſige Ruſt
uͤber einen anhaltiſchen Schriftſteller, den
er einhaſcht. Vor dem Jahre beym Bran-
de verlohr der gute Mann ſeine ſaͤmtliche
fahrende Haabe, Hausgeraͤthe und Buͤ-
cher, kuͤmmerte ſich wenig ums Zeitliche: —
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/28>, abgerufen am 16.02.2025.
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